Kultusminister Konferenz

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Stellungnahme der KMK zu den Ergebnissen von PISA 2003

(internationaler Vergleich)

Die Kultusministerkonferenz hat 1997 beschlossen, sich in Zukunft regelmäßig an internationalen Schulleistungsvergleichen, wie sie z.B. von der OECD durchgeführt werden, zu beteiligen. Abgesichertes Wissen über den Zustand unseres Bildungssystems ist ein Beitrag zur öffentlichen Transparenz und dient zugleich einer zielgerichteten Steuerung unseres Bildungssystems.

Jetzt liegen die Ergebnisse von PISA 2003 vor, die nach PISA 2000 zum zweiten Mal Wissen sowie Fähigkeiten und Fertigkeiten der 15-jährigen Schülerinnen und Schüler in deutschen Schulen im Vergleich mit den anderen Mitgliedsstaaten der OECD beschreiben. PISA bezieht sich regelmäßig auf die Bereiche Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften und damit auf Kompetenzbereiche, die für das Weiterlernen und die Bewältigung der Anforderungen des Berufslebens bedeutsam sind. Bei PISA 2003 wurde zum ersten Mal auch ein internationaler Vergleich für den Bereich Problemlösen durchgeführt. Dabei geht es um Kompetenzen im Bereich der Lösung realer Probleme, in denen fachliche Kompetenzen aus verschiedenen Bereichen gebündelt und auf alltagsnahe Problemstellungen angewendet werden ("intelligente Anwendung von Wissen").

Die Ergebnisse von PISA 2003 erlauben es zum ersten Mal, zwischen den Ergebnissen zweier Erhebungen zu vergleichen. Dabei ist festzustellen, dass es bei vielen OECD-Mitgliedsstaaten Veränderungen gegeben hat und zwar sowohl positive wie negative. Bei PISA 2000 lagen die Leistungen der Schülerinnen und Schüler an deutschen Schulen in allen genannten drei Untersuchungsbereichen unter dem OECD-Durchschnitt. 2003 liegt Deutschland in allen drei Leistungsbereichen im Durchschnitt der OECD-Staaten. In den Bereichen Mathematik und Naturwissenschaften ist eine signifikante, d.h. statistisch abgesicherte, Leistungssteigerung zu beobachten. Auch im Bereich Lesen ist der Punktwert höher; diese Veränderung ist aber nicht signifikant. Allerdings hat das Interesse der Schülerinnen und Schüler am Lesen generell zugenommen. Im Bereich Problemlösen liegen die Leistungen der Schülerinnen und Schüler in deutschen Schulen signifikant über dem OECD-Durchschnitt. 

Diese positiven Tendenzen sind eine Bestätigung für die Arbeit der deutschen Schulen in den vergangenen Jahren. Die Steigerung in den Bereichen Mathematik und Naturwissenschaften deutet darauf hin, dass die nach der Veröffentlichung der unbefriedigenden TIMSS-Ergebnisse ab dem Jahr 1997 eingeleiteten Maßnahmen zur Verbesserung des Unterrichts in den Bereichen Mathematik und Naturwissenschaften, z. B. im Rahmen des Modellversuchsprogramms SINUS, zu ersten Erfolgen geführt haben. Die KMK sieht sich damit in ihrer Auffassung bestätigt, dass der Weiterentwicklung des Unterrichts eine zentrale Bedeutung für die Verbesserung von Schülerleistungen zukommt und dass hier ein Potenzial für weitere Verbesserungen vorhanden ist, die allerdings Zeit benötigen.

Zu einer realistischen Bewertung der Ergebnisse gehört die Erkenntnis, dass es bis zum Zeitpunkt der Testdurchführung nicht gelungen ist, die Leistungen der so genannten Risikogruppe (Schülerinnen und Schüler mit nur geringen Kompetenzen) und der Jugendlichen mit Migrationshintergrund zu verbessern. Dies und die weiterhin bestehende enge Kopplung von sozialer Herkunft und Kompetenzerwerb sind aus Sicht der KMK nicht hinzunehmen. Hier liegt eine besonders große Herausforderung für die Bildungspolitik der kommenden Jahre. Aus Sicht der KMK ist in diesem Zusammenhang die neue Erkenntnis sehr beunruhigend, dass Jugendliche, deren Eltern im Ausland geboren sind, die aber selbst in Deutschland aufgewachsen sind, noch ungünstigere Ergebnisse als zugewanderte Jugendliche erzielen.

Die KMK hat im Dezember 2001 nach den Ergebnissen von PISA 2000 gemeinsame Anstrengungen zur Modernisierung des deutschen Bildungswesens beschlossen und dafür sieben Handlungsfelder benannt:

Maßnahmen zur Verbesserung der Sprachkompetenz bereits im vorschulischen Bereich

Maßnahmen zur besseren Verzahnung von vorschulischem Bereich und Grundschule mit dem Ziel einer frühzeitigen Einschulung

Maßnahmen zur Verbesserung der Grundschulbildung und durchgängige Verbesserung der Lesekompetenz und des grundlegenden Verständnisses mathematischer und naturwissenschaftlicher Zusammenhänge

Maßnahmen zur wirksamen Förderung bildungsbenachteiligter Kinder, insbesondere auch der Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund

Maßnahmen zur konsequenten Weiterentwicklung und Sicherung der Qualität von Unterricht und Schule auf der Grundlage von verbindlichen Standards sowie eine ergebnisorientierte Evaluation

Maßnahmen zur Verbesserung der Professionalität der Lehrertätigkeit, insbesondere im Hinblick auf diagnostische und methodische Kompetenz als Bestandteil systematischer Schulentwicklung

Maßnahmen zum Ausbau von schulischen und außerschulischen Ganztagsangeboten mit dem Ziel erweiterter Bildungs- und Fördermöglichkeiten, insbesondere für Schülerinnen und Schüler mit Bildungsdefiziten und besonderen Begabungen.

 

Die KMK betont, dass sich angesichts des kurzen Wirkungszeitraums zwischen der Einleitung von Maßnahmen in den genannten Handlungsfeldern und den Erhebungen im Rahmen von PISA 2003 (1 ½ Jahre) Effekte nicht oder nur sehr eingeschränkt in den Ergebnissen von PISA 2003 niederschlagen konnten. Sie bekräftigt die unveränderte Bedeutung dieser Handlungsfelder und erklärt ihre Entschlossenheit, die Arbeit in den genannten Feldern im Interesse einer weiteren Steigerung der Schülerleistungen konsequent fortzusetzen. 

Nur langfristig angelegte und kontinuierlich fortgesetzte Maßnahmen können zu nachhaltigen Verbesserungen führen. Dies gilt insbesondere für die genannten Problembereiche der so genannten Risikogruppe (Schülerinnen und Schüler mit geringen Kompetenzen), Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund und der Kopplung von sozialer Herkunft und Schulleistung. Hier muss frühzeitig und kontinuierlich einer ungünstigen Entwicklung der Bildungsbiographie der betroffenen Kinder und Jugendlichen entgegen gewirkt werden. Angesichts der großen Bedeutung einer frühen Förderung sind die eingeleiteten langfristig wirksamen Maßnahmen zur Stärkung des Bildungsauftrags der Kindertagesstätten und zur Verbesserung der sprachlichen Kompetenz, insbesondere der Kinder mit Migrationshintergrund bereits im Vorschulalter und dann im weiteren Verlauf der Schulzeit zu intensivieren. Gleichzeitig müssen die Anstrengungen verstärkt werden, bei ungünstigen Entwicklungen in der Bildungsbiographie gezielte Ausgleichsmaßnahmen einzuleiten. Die vielfältigen Maßnahmen der Länder, auch der Ausbau der Ganztagsangebote mit dem Ziel verbesserter Fördermöglichkeiten, liefern hierzu einen wichtigen Beitrag.

Die Kultusministerinnen und Kultusminister der Länder wissen, dass es zu einer Qualitätsverbesserung des deutschen Bildungswesens auch einer weiteren Verbesserung der Rahmenbedingungen bedarf. Dies gilt insbesondere für die genannten Problembereiche. Die Kultusministerinnen und Kultusminister streiten seit Jahren konsequent dafür, dass Priorität für Bildung ernst genommen wird und konkrete Konsequenzen hat, und sie werden sich weiter dafür einsetzen. 

Im Interesse einer unmittelbar wirksamen und gemeinsam getragenen Arbeit an der notwendigen Modernisierung unseres Bildungssystems möchte die KMK eine verengte und verkürzte PISA-Debatte vermeiden. Die Befunde aus PISA 2003 zeigen, dass sowohl integrierte als auch differenzierende Schulsysteme gute Leistungen erzielen können. Zur Schulstruktur kommt der jetzt vorliegende Bericht in ähnlicher Weise wie der Bericht zu PISA 2000 zu dem Ergebnis, dass "kein Zusammenhang zwischen dem Differenzierungsgrad des Schulsystems bzw. dem Alter der Differenzierung und dem Kompetenzniveau" besteht. Die KMK unterstreicht, dass schulstrukturelle Entwicklungen die sehr unterschiedlichen Ausgangslagen und Voraussetzungen in den einzelnen Ländern berücksichtigen müssen. Sie sieht im Einvernehmen mit dem PISA-Konsortium in allen Schulformen ein ausgeprägtes Potenzial für Verbesserungen. 

In der KMK besteht Einvernehmen darüber, dass die Erkenntnis von PISA 2000 im Hinblick auf die Notwendigkeit eines besseren Umgangs mit der Heterogenität der Schülervoraussetzungen und Schülerleistungen unverändert fort gilt und die Zielsetzung einer verbesserten individuellen Förderung aller Schülerinnen und Schüler weiter mit Nachdruck verfolgt werden muss. Dies muss sich unter anderem in der Lehreraus- und -fortbildung zum Beispiel im Hinblick auf eine Verbesserung der Diagnosefähigkeit der Lehrerinnen und Lehrer und eine gezielte Unterstützung der einzelnen Schülerinnen und Schüler niederschlagen.

Im Interesse einer Verbesserung des Unterrichts als des Kerns der schulischen Arbeit wird die KMK ihre Anstrengungen im Bereich der Entwicklung länderübergreifend verbindlicher Bildungsstandards, ihrer Implementation in allen Ländern und ihrer regelmäßigen Überprüfung konsequent fortsetzen. Das von allen Ländern getragene Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen an der Humboldt-Universität zu Berlin wird entsprechend seine Arbeit in Kürze aufnehmen.

Alle Länder in der Bundesrepublik Deutschland werden nach den ersten Anzeichen für eine positive Entwicklung, wie sie in den Ergebnissen von PISA 2003 deutlich werden, gemeinsam und abgestimmt darauf hinarbeiten, dass sich dieser Trend fortsetzt und verstetigt und insbesondere auch zur Lösung der genannten Probleme beiträgt.

In diesem Sinne werden in der KMK in den kommenden Monaten die folgenden Arbeitsbereiche im Mittelpunkt stehen:

Verbesserung des Unterrichts zur gezielten Förderung in allen Kompetenzbereichen, insbesondere in den Bereichen Lesen, Geometrie und Stochastik.

Frühzeitige gezielte Förderung von Kindern und Jugendlichen, die aus sozial schwierigem Umfeld stammen oder einen Migrationshintergrund haben, und gezielte Ausgleichsmaßnahmen bei ungünstigen Entwicklungen in der Bildungsbiographie.

Weiterentwicklung der Lehreraus- und –fortbildung, insbesondere im Hinblick auf den Umgang mit Heterogenität, eine Verbesserung der Diagnosefähigkeit und eine gezielte Unterstützung der einzelnen Schülerinnen und Schüler.

Die Verbindung von guten Leistungsergebnissen und einer besseren Entkopplung von sozialer Herkunft und erreichter Kompetenz ist, wie der internationale Vergleich im Rahmen von PISA 2003 zeigt, für Deutschland eine große Herausforderung und eine notwendige Zielsetzung.

Eine Kurzfassung der Ergebnisse PISA 2003 des PISA-Konsortiums finden Sie undefinedhier.

Mehr Informationen finden Sie auf der Homepage des IPN - Leibniz-Institut für die Pädagogik 

der Naturwissenschaften, Kiel: www.ipn.uni-kiel.de.