EU darf regionale Besonderheiten nicht ignorieren
Die KMK sieht das deshalb mit großer Besorgnis, weil mit der Ausschaltung der Fachministerräte auch die dort vertretene Kompetenz keine Berücksichtigung mehr findet. Die Vertretung für die Ausgestaltung der Bildungssysteme liegt nicht ohne Grund bei den Mitgliedsstaaten. Nur so kann gewährleistet bleiben, dass kulturelle Traditionen, einzelstaatliche Identitäten und generell die Ausprägungen regionaler Einzigartigkeit, die den Reichtum der Europäischen Kultur ausmachen, nicht auf dem Altar der Einheitlichkeit geopfert werden. Diesen Hintergrund ignoriert der neue Entscheidungsansatz des Europäischen Rats.
Ulrich Commerçon, Bundesratsbeauftragter für den EU-Bildungsministerrat und saarländischer Minister für Bildung und Kultur, sagt dazu: „Es muss sichergestellt werden, dass die Fachministerräte auf nationaler und europäischer Ebene weiterhin die Federführung in sämtlichen bildungs- und kulturpolitischen Fragen behalten. Bildung und Kultur sind originäre Kompetenz- und Zuständigkeitsbereiche der Länder. Auch auf EU-Ebene muss in Zukunft gewährleistet bleiben, dass die Fachminister an entscheidender Stelle mitwirken.“
Ludwig Spaenle, Bundesratsbeauftragter für den EU-Kulturministerrat und Bayerischer Staatsminister für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst, ergänzt: „Top-Down kann nicht die Lösung im Bereich Kultur und Bildung sein. Es ist wichtig, regionale Identitäten, kulturelle Besonderheiten und die sprachliche Vielfalt innerhalb der Europäischen Union zu bewahren. Eine Aufstockung von Fördermitteln im Bereich Kultur und Bildung ist hierbei ein richtiger Schritt. Dabei sollten wir aber nicht vergessen, dass nach geltendem europäischem Rechtsrahmen die Verantwortung hinsichtlich Inhalt und Gestaltung der Bildungssysteme sowie für die Vielfalt ihrer Sprachen und Kulturen bei den Mitgliedstaaten liegt.“
Hintergrund:
Der Europäische Rat der Staats- und Regierungschefs hatte in seiner Sitzung am 19./20.10.2017 auf Initiative von Ratspräsident Tusk eine neue Form der Entscheidungsfindung, die sog. „Leaders' Agenda“, etabliert. Hauptmotivation hierfür sind angeblich schnellere politische Weichenstellungen der EU und die Auflösung von vermeintlichen Blockaden in den Fachministerräten. Das neue Verfahren soll beim Europäischen Rat der Staats- und Regierungschefs am 14./15.12.2017 erstmalig zur Anwendung kommen.