Umgang mit Antisemitismus in der Schule: Gemeinsam Haltung zeigen
Begleitend fand ein Austausch der Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren mit dem Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dr. Josef Schuster, den Vorsitzenden der Gemeinsamen Bund-Länder-Kommission zur Bekämpfung von Antisemitismus und zum Schutz jüdischen Lebens (BLK), Dr. Felix Klein und apl. Prof. Dr. Samuel Salzborn, sowie dem Beauftragten der Bayerischen Staatsregierung für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus, für Erinnerungsarbeit und geschichtliches Erbe, Staatsminister a.D. Dr. Ludwig Spaenle, der seinerzeit die Erarbeitung der Empfehlung angeregt hatte, statt.
Die vorliegende gemeinsame Empfehlung gibt eine Orientierung zum Umgang mit den verschiedenen Formen des Antisemitismus, beschreibt ihn in seiner Wirkung und zeigt Maßnahmen der Prävention und Intervention auf. Jede und jeder Einzelne ist dabei herausgefordert, Antisemitismus zu erkennen, zu benennen und entsprechend zu reagieren. Kinder und Jugendliche brauchen ein Wertesystem, das ihnen Orientierung gibt. Auch die Schule ist dafür verantwortlich, dieses zu vermitteln. Die gemeinsame Empfehlung richtet sich vor allem an Lehrkräfte und pädagogisches Personal aller Schularten, Schulstufen und Fächer, an Schulleitungen, Einrichtungen der Aus-, Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften sowie an die zuständigen staatlichen Institutionen.
Britta Ernst, Präsidentin der Kultusministerkonferenz und brandenburgische Ministerin für Bildung, Jugend und Sport: „Antisemitismus ist nicht akzeptabel. Alle schulischen Akteure, egal ob Lehrkräfte, Erzieherinnen und Erzieher, Eltern, Schülerinnen und Schüler, aber auch Institutionen der Ausbildung und Professionalisierung von Lehrkräften, Bildungsverwaltungen und Politik sind gefordert zu handeln. Der Umgang damit bleibt somit auch eine gesellschaftliche und politische Herausforderung für uns alle. Mit dieser Empfehlung möchten wir unseren Beitrag leisten. Ein wesentlicher Bestandteil ist es, alle Lehrkräfte zu Inhalten und Formen des Antisemitismus weiterzubilden sowie die Beschäftigung mit dem Judentum in Vergangenheit und Gegenwart und mit Antisemitismus in den Curricula zu verankern oder diese im Sinne dieser Empfehlung zu erweitern. Zudem muss dafür sensibilisiert werden, dass Antisemitismus auch in Bildungsmedien fächerübergreifend thematisiert und zugleich auch nicht unterschwellig transportiert und verstärkt wird.“
Dr. Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland: „Die Schulen spielen im Kampf gegen den Antisemitismus eine Schlüsselrolle. Daher sind unsere Anforderungen und Erwartungen an die Lehrkräfte hoch. Doch wir wollen sie damit nicht alleine lassen. Ich freue mich sehr, dass wir ihnen mit diesen gemeinsam erarbeiteten, fundierten Empfehlungen eine Leitlinie an die Hand geben können. Lehrkräfte müssen selbst gewappnet werden gegen Antisemitismus und brauchen viel Expertise, um bei den Schülerinnen und Schülern gegen Judenhass vorgehen zu können. Das muss schon in der Lehrerausbildung an den Hochschulen angelegt werden. Es liegt noch ein langer Weg vor uns. Doch heute sind wir einen entscheidenden Schritt vorangekommen.“
Dr. Klein, Beauftragter der Bundesregierung für jüdisches Leben und den Kampf gegen Antisemitismus und Co-Vorsitzender der BLK: „In der Schule wird häufig das Thema Judentum erst im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus vermittelt; dabei hat das Judentum in Deutschland eine 1700-jährige Geschichte. Ich würde es begrüßen, wenn diese Tatsache in der Schule eine größere Rolle spielt und neben dem Thema Holocaust auch Aspekte des jüdischen Lebens verstärkt im Unterricht vermittelt werden. Darüber hinaus ist es in Zeiten, in denen auf deutschen Schulhöfen ‚Du Jude‘ als Schimpfwort verwendet wird, nötiger denn je, deutlich zu machen, dass Antisemitismus in unserer Gesellschaft keinen Platz hat. Ich bin zuversichtlich, dass die heute unterzeichneten Empfehlungen ein wichtiger Baustein im Kampf gegen den Antisemitismus darstellt.“
Prof. Dr. Salzborn, Antisemitismusbeauftragter des Landes Berlin und Co-Vorsitzender der BLK: „Angesichts von antisemitischen Vorfällen in Schulen ist das Thema Antisemitismus im schulischen Kontext öffentlich präsent. Vor dem Hintergrund, dass Antisemitismus in jüngster Vergangenheit nicht nur tatsächlich aggressiver und gewaltförmiger geworden ist, wird Antisemitismus für eine breite Öffentlichkeit auch deutlich wahrnehmbarer. Die Schule ist und bleibt neben der Familie die zentrale Sozialisationsagentur der bundesdeutschen Gesellschaft und sie muss sich ihrer Schlüsselverantwortung für die Bekämpfung von Antisemitismus stellen. Insofern ist es enorm wichtig, sich der schulischen Verantwortung auf allen Ebenen bewusst zu werden und die schulische Arbeit gegen Antisemitismus als eine der Schlüsselherausforderungen für Schule und Gesellschaft zu begreifen.“
Dr. Ludwig Spaenle, MdL, Antisemitismusbeauftragter des Landes Bayern: „Das Problemfeld Antisemitismus muss dringend im Unterricht behandelt werden, welche Formen es gibt, welche Ursachen er hat und wie man dagegen vorgeht. Ebenso wichtig ist: Schülerinnen und Schüler werden häufig in offener und in unterschwelliger Weise mit antisemitischem Gedankengut und Handeln konfrontiert. Hier müssen wir die Lehrkräfte befähigen, frühzeitig antisemitische Vorfälle zu erkennen und mit entsprechenden Instrumenten gegenzusteuern. Basis dafür ist eine Kultur des Hinschauens. Die Empfehlungen zum Umgang mit Antisemitismus in der Schule haben als praxisorientierte Handlungsanleitung bundesweite Bedeutung.“
Antisemitismus ist in Europa und darüber hinaus seit Jahrhunderten präsent und kulturell tradiert. Er äußert sich bis heute in unserer Gesellschaft in zahlreichen Formen, in allen sozialen Schichten, latent oder offen, teilweise manifest bis hin zu körperlichen Übergriffen und Terror. Schulen sind – als Spiegel der Gesellschaft – mit antisemitischen Äußerungen und Einstellungen konfrontiert, die ein Klima der Einschüchterung und Gewalt schaffen. Insbesondere der Schule mit ihrem Auftrag, Kinder und Jugendliche zu Mündigkeit und Verantwortungsbewusstsein zu erziehen, kommt dabei eine besondere Bedeutung und Verantwortung bei der Prävention und der Bekämpfung von Antisemitismus zu.