Kultusministerkonferenz fasst Beschluss zu PISA 2022
In der nun vorliegenden Erklärung sind ganz konkrete Maßnahmen benannt, wie dieses Ziel konsequent verfolgt werden kann. Dazu gehören unter anderem die Vermittlung sicherer deutscher Sprachkenntnisse von der frühkindlichen Bildung an – mit Sprachstandsfestellungen vor dem Schulbesuch und bei Bedarf verbindlicher Sprachförderung vor der Einschulung – sowie die Überprüfung der Konzepte zum Unterrichtsfach Deutsch als Fremdsprache und die Stärkung der Kernfächer und der basalen Kompetenzen. Uns ist dabei klar, dass Jugendliche mit Zuwanderungshintergrund besondere Unterstützung benötigen. Daher werden wir unsere Fördermaßnahmen, insbesondere in der Sprach- und Leseförderung, intensivieren und das Bewusstsein unter allen Fachlehrkräften schärfen, dass jede Fachstunde zur Festigung und Weiterentwicklung sprachlicher Kompetenzen beitragen kann.“
Zu den Ergebnissen von PISA 2022 erklärt die Kultusministerkonferenz:
1. Die Studie zeigt an vielen Stellen dringenden Handlungsbedarf auf, der auch über das Feld der Schulen hinaus geht. Die Ursachen und Bedingungsfaktoren der Ergebnisse müssen gründlich, vertieft und unvoreingenommen analysiert werden.
Dabei spielen neben den Fragen z. B. der Sicherstellung der basalen Kompetenzen, der gezielten Förderung von besonders schwachen und starken Schülerinnen und Schülern, Unterrichtsqualität und der Aus- und Fortbildung von Lehrkräften, dem Umgang mit digitalen Medien sowie der Integration zwei Faktoren offensichtlich eine besonders wichtige Rolle:
a. In Deutschland gab es während der Pandemie in einer Abwägung ungeachtet der Bedenken zahlreicher Bildungsexpertinnen und -experten besonders lange Zeiträume von Schulschließungen. Auch in anderen Staaten waren pandemiebedingte Kompetenzeinbrüche bei Schülerinnen und Schülern zu beobachten und auch dort sind die Leistungen deutlich zurückgegangen. Die Daten der PISA-Untersuchung wurden zu einem Zeitpunkt erhoben, zu dem Aufholprogramme und Ausgleichsmaßnahmen noch keine Wirkung entfaltet haben konnten. Die Anstrengungen zur Kompensation der entstandenen Lernrückstände müssen fortgesetzt werden.
b. Zugleich wird damit unterstrichen, welche Bedeutung dem Lernen in Klassen und Gruppen und der Anleitung und Unterstützung durch Lehrkräfte zukommt.
2. In den letzten Jahren hat sich die Zusammensetzung der Schülerschaft in kurzer Zeit deutlich verändert: Immer größere Teile der Schülerschaft kommen aus einem sozialen Umfeld, welches ihre Bildungsanstrengungen nicht oder zu wenig unterstützen kann oder aus Familien im Leistungsbezug nach SGB II. Ablesbar ist das unter anderem am steigenden Anteil der Schülerinnen und Schüler, die aus Haushalten kommen, in denen wenig Bildungsgüter verfügbar sind. Hinzu kommt, dass im Zuge der Zuwanderung viele Schülerinnen und Schüler (von 25,8% im Jahr 2012 auf 38,7% in 2022) in die Schulen aufgenommen wurden. Darunter befindet sich eine erhebliche Anzahl ohne deutsche Sprachkenntnisse.
Ausgehend von diesen Befunden, denen weitere Analysen folgen müssen, spricht sich die KMK für folgende Maßnahmen aus:
a. Für den Bildungserfolg der Schülerinnen und Schüler ist die Beherrschung der deutschen Bildungssprache unerlässlich. Das gilt nicht nur für das Fach Deutsch, sondern für alle Fächer und Lernbereiche, weil Deutsch Unterrichtssprache ist. Daher gilt: Jede Unterrichtsstunde ist eine Deutsch-Stunde. Deshalb muss der Vermittlung sicherer deutscher Sprachkenntnisse Vorrang eingeräumt werden: Schon in der frühkindlichen Bildung muss das angebahnt werden. Sprachstandsfeststellungen vor dem Schulbesuch und bei entsprechendem Bedarf verbindliche Sprachförderung vor der Einschulung sind notwendig, um einen erfolgreichen Start in der Schule zu sichern. Die Stärkung von Deutsch in der neuen Empfehlung für die Arbeit in der Grundschule ist ein weiterer wichtiger Schritt, dies muss in den weiterführenden Schulen fortgesetzt werden. Die Empfehlungen der Kultusministerkonferenz vom 05.12.2019 „Bildungssprachliche Kompetenzen in der deutschen Sprache stärken“ sowie „Empfehlung der Kultusministerkonferenz für einen sprachsensiblen Unterricht an den beruflichen Schulen“ ermöglichen den Ländern hier mit ihren dargestellten Grundsätzen einen gezielten Handlungsrahmen.
b. Darüber hinaus müssen die Konzepte zum Unterricht Deutsch als Zweitsprache auf den Prüfstand gestellt werden, eine entsprechende Expertenanhörung zu den verschiedenen Konzepten in den Ländern befindet sich bereits in Vorbereitung. Auch hier gilt es gemeinsam Schlussfolgerungen zu ziehen und insbesondere den geflüchteten und neu zugewanderten Kindern und Jugendlichen eine gute Schullaufbahn an deutschen Schulen zu ermöglichen.
c. Insgesamt muss in der Schule eine Stärkung der Kernfächer und der basalen Kompetenzen erfolgen, weil davon insbesondere die schwächeren Schülerinnen und Schüler und Kinder und Jugendliche aus einem wenig unterstützenden sozialen Umfeld am stärksten profitieren. Hierbei sollten evidenzbasierte Programme wie BiSS zum Einsatz kommen.
d. Mit dem Qualifzierungsprogramm von Lehrkräften zur Mathematik (QuaMath) ist bereits ein bundesweites Programm auf den Weg gebracht worden, um den Mathematikunterricht in allen Schularten weiterzuentwickeln und vor allem für die Schülerinnen und Schüler interessanter zu machen. Darüber hinaus werden die Fortbildnerinnen und Fortbildner sowie die Mathematik-Lehrkräfte besser qualifiziert und die Zusammenarbeit in Teams und Netzwerken gestärkt. Dieses Programm muss um Materialien insbesondere zum Üben für die Schülerinnen und Schüler zügig erweitert werden.
e. Digitale Instrumente und ihr zielgenauer lernförderlicher Einsatz spielen eine zunehmend wichtige Rolle bei der Vermittlung von Basiskompetenzen. Die Digitalisierung des Systems Schule muss prioritär und beschleunigt umgesetzt werden. Daher ist die Fortsetzung des Digitalpakts von großer Bedeutung. Die Länder erwarten von der Bundesregierung, dass sie schnellstmöglich verbindliche Finanzierungszusagen macht.
f. Die Länder bekennen sich zu einer kohärenten Gesamtstrategie Bildungsmonitoring, der Beteiligung an internationalen und nationalen Vergleichsstudien, der Durchführung von Tests und Lernstandserhebungen als notwendiger Grundlage für eine evidenzbasierte Schul- und Unterrichtsentwicklung.
g. Bei den anstehenden Überlegungen über die Neugestaltung der Lehrkräftebildung ist darauf zu achten, dass die Lehrkräfte die Kompetenzen erwerben, die für ein erfolgreiches Arbeiten und Unterrichten mit einer veränderten Schülerschaft erforderlich sind. Insbesondere die Vermittlung von Konzepten der sprachlichen Bildung und Sprachförderung sollte Bestandteil aller Phasen der Lehrkräftebildung sein und ist im Rahmen der Ausbildung des pädagogischen Personals weiterzuentwickeln.
h. Um Schülerinnen und Schüler aus Risikolagen sowie diejenigen, die Mindeststandards nach Klassenstufe 4 und 9 nicht erreichen, gezielt zu fördern, ist es zwingend notwendig, dass das von Bund und Ländern geplante Startchancen-Programm als ein Baustein für Schulen in besonders herausfordernden Lagen schnellstmöglich umgesetzt wird.