Kultusminister Konferenz

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„Eine vollständige und differenzierte Betrachtung der deutsch-jüdischen Geschichte“

Wolff empfiehlt Broschüre des Leo Baeck Instituts den Kultusministerien der Länder

Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Hessens Kultusministerin Karin Wolff, und das Leo Baeck Institut setzen sich gemeinsam für eine vollständigere und differenziertere Betrachtung der deutsch-jüdischen Geschichte im Unterricht an deutschen Schulen ein. Als sichtbarer Ausdruck dieser Bemühungen wird Wolff eine vom Leo Baeck Institut neu erstellte Orientierungshilfe zur deutsch-jüdischen Geschichte künftig in der Lehrplan- und Schulbucharbeit sowie der Lehrerbildung und Lehrerfortbildung einsetzen. Als erste Kultusministerin der Länder nahm Wolff das Werk mit dem Wunsch des Leo Baeck Instituts entgegen, es für ein besseres Geschichtsverständnis an hessischen Schulen einzusetzen.

Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Dr. Salomon Korn, Mitglied des Präsidiums des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dr. Joachim Schulz-Hardt, Vorsitzender der Kommission des Leo Baeck Instituts, Georg Heuberger, Direktor des Jüdischen Museums der Stadt Frankfurt, und Dr. Peter Lautzas, Vorsitzender des Verbandes der Geschichtslehrer Deutschlands, sagte Wolff heute in Wiesbaden: „Die deutsch-jüdische Geschichte ist nicht auf eine selbstverständlich intensive Beschäftigung mit dem Antisemitismus und insbesondere der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik zu beschränken. Unsere Aufgabe ist es, die jüdische Kultur in ihrer historischen und zeitgenössischen Dimension insgesamt wahrzunehmen und zu würdigen.“ Um ein solches Verhältnis zu erreichen, könne die Orientierungshilfe als eine Art Kerncurriculum gerade im Geschichtsunterricht viel beitragen, so Wolff.

Als KMK-Präsidentin empfahl sie den Ländern, dem Beispiel Hessens zu folgen und die Broschüre des Leo Baeck Instituts aufzunehmen. Die Ministerin sagte zu, dass sie die Orientierungshilfe allen Schulbuchgutachtern der Länder sowie deren Verantwortlichen für die Lehrplanarbeit und die Lehrerfortbildung zugänglich machen werde.

Die Orientierungshilfe „Deutsch-jüdische Geschichte“ wurde von einem internationalen Komitee des Leo Baeck Instituts unter Leitung des ehemaligen KMK-Generalsekretärs Dr. Joachim Schulz-Hardt erarbeitet. Das Hauptanliegen der Orientierungshilfe ist eine umfassendere Behandlung der deutsch-jüdischen Geschichte. „Die Geschichte darf nicht auf die Verfolgungsgeschichte und den Holocaust reduziert werden. Juden waren nicht nur Objekte, Verfolgte und Opfer, sondern auch aktive Mitgestalter der deutschen Geschichte“, sagte Schulz-Hardt. „Der eigenständige jüdische Anteil an der deutschen Geschichte muss daher mehr hervorgehoben werden und es muss deutlicher gemacht werden, dass jüdische Geschichte integraler Teil der deutschen Geschichte ist“, so Schulz-Hardt weiter.

Wolff sagte, sie hoffe, dass eine umfassendere Bildung das deutsch-jüdische Verhältnis weiter verbessert: „Die Schüler sollten eine Vorstellung von den bemerkenswerten wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und künstlerischen Leistungen der Juden seit Beginn der Emanzipation bekommen und die deutsch-jüdische Geschichte als Teil ihrer eigenen Geschichte wahrnehmen.“ Gerade in Hessen hätten viele jüdische Bürger und Institutionen einen großen Beitrag zur deutschen Geschichte geleistet, erinnerte Wolff unter anderem an den Dichter Ludwig Börne, die Bankiers Rothschild, den früherer Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes Ludwig Rosenberg sowie den Fischer-Verlag mit Sitz in Frankfurt.

„Wir dürfen einerseits die Geschichte des Holocausts nie vergessen und sind andererseits aufgefordert, die Behandlung der jüdischen Geschichte nicht darauf zu beschränken: Das jüdische Leben in Deutschland endet nicht 1945. Der Aufbau, die Entwicklung und die Situation jüdischer Gemeinden im Nachkriegsdeutschland, auch die Fragen, vor die sie sich gestellt sehen, müssen erörtert werden“, so Wolff. Kontakte zu den jüdischen Gemeinden in der Umgebung aufzunehmen sei für die Schulen der einfachste Zugangsweg zur jüdischen Geschichte.

Die öffentlichen Debatten der vergangenen Jahre um den Umgang mit dem Holocaust, um das Verhältnis zu Israel und um den Antisemitismus hätten laut Wolff die weitgehende Unsicherheit der Gesellschaft im Umgang mit der jüdischen Geschichte belegt. „Schon aus diesem Grund ist jetzt genau der richtige Zeitpunkt für eine Initiative, die sich der Behandlung der deutsch-jüdischen Geschichte widmet, auf Vollständigkeit und Wahrheit ihrer Vermittlung setzt und unterschiedliche Perspektiven einfordert“, würdigte die Ministerin die Arbeit des Komitees.

Schulz-Hardt bekräftigte das Anliegen, dass die Orientierungshilfe „Deutsch-jüdische Geschichte“ nicht allein in Hessen zu einem verbesserten Geschichtsverständnis und deutsch-jüdischen Verhältnis beitragen soll. Das Leo Baeck Institut werde die Unterrichtsbroschüre in Kürze auch dem Bundespräsidenten überreichen. „Wir hoffen, dass andere Bundesländer die Arbeit des Leo Baeck Instituts im gleichen Umfang unterstützen werden wie Hessen“, sagte Schulz-Hardt.