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Schulen auf Reformkurs

Länder und Kultusministerkonferenz ziehen drei Jahre nach PISA eine positive Zwischenbilanz zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen

Die Länder und die Kultusministerkonferenz haben seit der ersten PISA-Veröffentlichung im Dezember 2001 zahlreiche durchgreifende Reformen im Schulwesen auf den Weg gebracht. "Wir stellen uns der Herausforderung, Unterricht und Schulen konsequent zu modernisieren", sagte die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Doris Ahnen, am Donnerstag auf der Tagung "Qualitätsentwicklung im Bildungswesen – eine Zwischenbilanz" in Berlin. Die rund 250 Teilnehmerinnen und Teilnehmer konnten sich in einer Ausstellung über beispielhafte Projekte schulischer Qualitätsentwicklung in der Praxis informieren. Sie diskutierten in vier Werkstattgesprächen über eingeleitete Reformen, bereits erzielte Erfolge und weitere notwendige Schritte.

"Die Schule der Zukunft wird geprägt sein von neuen Formen des Unterrichts, die die individuelle Förderung von Kindern stärken. Dabei stehen selbstständiges Arbeiten und kreatives Lernen im Vordergrund", unterstrich Ahnen. Die Länder haben gemeinsam einen Prozess zu mehr Eigenverantwortung in den Schulen eingeleitet. "Wir geben den Schulen mit den neu entwickelten Bildungsstandards klare Ziele vor, vergrößern aber auch die Handlungsräume, wie diese Ziele erreicht werden." Die Präsidentin warb eindringlich dafür, dass sich Schulverwaltungen, Lehrkräfte, Eltern sowie Schülerinnen und Schüler aktiv an diesem Prozess beteiligen.

Die von der Kultusministerkonferenz eingeleiteten Reformen zielen auf eine bessere Förderung, insbesondere der Sprachkompetenz, bereits im vorschulischen Bereich, stärken die Lesekompetenz und das mathematisch-naturwissenschaftliche Verständnis, verstärken die individuelle Förderung und leisten einen Beitrag zum Abbau sozialer Benachteiligung, treiben den Ausbau von Ganztagsschulen voran und setzen auf eine systematische Schulentwicklung, bei der Lehrerinnen und Lehrer eine zentrale Rolle spielen.

1. Verändertes Lernen und frühe Förderung in Kindertagesstätten und am Schulanfang

Mit einer intensiven Sprachförderung im Vorschulalter und einer engeren Zusammenarbeit zwischen Kindertagesstätten und Grundschulen wird die Verständnis- und Ausdrucksfähigkeit von Kindern gezielt gestärkt. Bei einem zeitlich flexibleren Schulbeginn ist damit zu rechnen, dass sich die Quote von Zurückstellungen deutlich reduzieren und die Zahl der vorzeitigen Einschulungen erhöhen wird. Mit der Konferenz der Jugendministerinnen und Jugendminister hat die Kultusministerkonferenz im Juni 2004 erstmalig gemeinsame Bildungsziele für die Kindertagesstätten sowie eine übergreifende und koordinierte Zusammenarbeit in den Bereichen Schule und Jugendhilfe vereinbart. Ziel dabei ist es, dass die Kinder den Übergang vom Kindergarten in die Schule ohne Bruch erleben können. Eine möglichst frühe Förderung hilft auch, den Zusammenhang von sozialer Herkunft und Kompetenzerwerb zu entkoppeln. Der Berliner Bildungssenator Klaus Böger erklärte: "Alle Kinder haben ein Recht auf Bildung von Anfang an. Wir wollen allen Kindern mit einer möglichst frühen Förderung gleiche Bildungschancen sichern und alle Ressourcen nutzen. Früh zu investieren ist sinnvoller als später zu reparieren."

2. Sprachförderung unter besonderer Berücksichtigung der Kinder mit Migrationshintergrund

Die Länder haben ein Bündel von Maßnahmen beschlossen und u.a. die Sprachförderung für Kinder mit Migrationshintergrund für den Elementar- und Schulbereich gestärkt.

Mit zusätzlichen Sprachfördermaßnahmen in den Kindertagesstätten oder mit Vorlaufkursen wird das Konzept einer sprachlichen Frühförderung für Kinder mit Migrationshintergrund verfolgt, um deren Bildungschancen deutlich zu verbessern. "Ich will, dass alle Kinder schon am ersten Schultag mitreden können", beschreibt Kultusministerin Karin Wolff die Zielrichtung. Die Zahl der Kinder mit Migrationshintergrund ohne Schulabschluss werde sich aufgrund gezielter Sprachförderung künftig deutlich reduzieren.

3. Bildungsstandards – ein Projekt mit weitreichenden Konsequenzen

Zur Qualitätsentwicklung in Schule und Unterricht hat die Kultusministerkonferenz Bildungsstandards entwickelt. Im Dezember 2003 wurden bundesweit geltende Bildungsstandards für die Fächer Deutsch, Mathematik und Erste Fremdsprache (Englisch/Französisch) für den Mittleren Schulabschluss (für alle Schularten) beschlossen und in den Ländern bereits eingeführt. Für Oktober 2004 ist die Verabschiedung von Bildungsstandards für die Jahrgangsstufe 4 in den Grundschulen und für den Hauptschulabschluss vorgesehen. In der Dezembersitzung der Kultusministerkonferenz soll die Verabschiedung der Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss in den Fächern Biologie, Chemie, Physik erfolgen.

Damit wird die Qualitätsentwicklung in den deutschen Schulen ein entscheidendes Stück vorangetrieben. In allen Ländern eingeführte Orientierungs- oder Vergleichsarbeiten geben den Schulen regelmäßige Rückmeldungen über das Erreichte. Das im Juni gegründete Institut für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen an der Humboldt-Universität zu Berlin wird einen wesentlichen Beitrag bei der Normierung und Überprüfung der Bildungsstandards leisten. "Damit hat die Kultusministerkonferenz insgesamt einen Paradigmenwechsel in der Bildungspolitik eingeleitet: Verbindliche Standards mit klar umschriebenen Kompetenzen stellen die Förderung der Schülerinnen und Schüler in den Mittelpunkt und ermöglichen erst eine ergebnisorientierte Evaluation", erklärte Ahnen.

4. Schulische Ganztagsangebote

Die Förderung von Kindern und Jugendlichen in Ganztagsschulen und in Ganztagsangeboten an Schulen erweitert die Möglichkeiten des fachlichen und des sozialen Lernens. Damit kann zugleich eine gute Basis dafür geschaffen werden, die Motivation und Aufnahmebereitschaft für Bildungsangebote zu erhöhen. Schule und Jugendhilfe öffnen sich stärker sowohl den Problemen als auch den Neigungen von Schülerinnen und Schülern. Die Entwicklung und der Ausbau von Ganztagsschulen und Ganztagsangeboten sind daher schulpolitisch von großer Bedeutung. "Schule nur vormittags – das war gestern. Ich wünsche, dass die Schulen zukünftig Bildung und Betreuung auch am Nachmittag anbieten. Natürlich freiwillig und wohnortnah", sagte der saarländische Bildungsminister Jürgen Schreier zu den Teilnehmern des Werkstattgespräches. Mit finanzieller Unterstützung des Bundes ist in allen Ländern seit 2003 ein beachtlicher Ausbau der Ganztagsschulen erfolgt.

Diese in den Werkstattgesprächen der Tagung vorgestellten Handlungsfelder werden ergänzt durch weitere zentrale Projekte wie die Reform der Lehrerbildung. Insgesamt lässt sich feststellen, dass die von allen Ländern im Zusammenwirken und in Koordinierung über die Kultusministerkonferenz beschlossenen Maßnahmen bedeutende Schritte für eine Qualitätsverbesserung darstellen und auf mittlere und längere Sicht zu besseren Ergebnissen führen werden. Deutschland hat die Chance ergriffen, sein Schulwesen grundlegend zu modernisieren. Internationale Vergleichsuntersuchungen und der Blick auf andere Staaten lehren uns aber auch, dass Deutschland noch einen weiten Reformweg vor sich hat.