Kultusminister Konferenz

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Stellungnahme der Kultusministerkonferenz zu den Ergebnissen des zweiten Ländervergleichs von PISA (PISA 2003-E)

Zentrale Erkenntnisse aus dem Ländervergleich: Fortschritte und Herausforderungen

Der jetzt vorgelegte ausführliche Bericht zum zweiten Ländervergleich PISA 2003-E gibt einen umfassenden Überblick zum Leistungsstand der 15-jährigen Schülerinnen und Schüler in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland. Die Ergebnisse in den vier Kompetenzbereichen, die bereits im Juli 2005 vorgestellt wurden, werden ergänzt um Hintergrunddaten zu Schülermerkmalen, zur sozialen Herkunft, zur Nutzung des Computers in der Schule, zu wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Lebensverhältnissen sowie regionalen Unterschieden. Die Ergebnisse für die einzelnen Länder und ihre Schularten werden zum ersten Mal auf Grundlage der internationalen Metrik (500-er Skala) vorgestellt, um die Vergleichbarkeit der Ergebnisse innerhalb der Länder und im internationalen Maßstab zu verbessern. Dabei ist ein systematischer Vergleich der Schularten über alle Länder hinweg nur für das Gymnasium möglich. Aufgrund der Besonderheiten der Schulorganisation und der unterschiedlichen Bildungsbeteiligung in den Ländern muss bei den anderen Schularten jedes Land für sich betrachtet werden.


Ergebnisse im Einzelnen

Wie schon die Ergebnisse des Vorberichts vom Juli 2005 deutlich gemacht haben, konnten die Schülerinnen und Schüler in vielen Bereichen bemerkenswerte Fortschritte erzielen. Ordnet man die Länder der Bundesrepublik Deutschland in den internationalen Bezugsrahmen ein, ergibt sich ein differenzierteres Bild, das neben positiven Entwicklungen auch eine Reihe von Problemen und Herausforderungen verdeutlicht:


I. Positive Entwicklungen:

  1. Viele Länder erzielen im Vergleich zum OECD-Durchschnitt bei PISA 2003 bessere Ergebnisse als bei PISA 2000, darunter auch die Länder, die beim ersten Ländervergleich relativ schlecht abgeschnitten hatten. Nur noch wenige Länder liegen in mehreren Kompetenzbereichen unter dem OECD-Durchschnitt; sieben Länder liegen in allen Kompetenzbereichen im OECD-Durchschnitt oder darüber. Im mathematischen Bereich sind sogar 12 Länder im internationalen Durchschnittsbereich oder darüber. Drei Länder liegen in allen Kompetenzbereichen über dem OECD-Mittelwert, wobei einem Land der Anschluss an die internationale Spitzengruppe gelungen ist. Innerhalb der drei genannten Gruppen - im, über oder unter dem OECD-Durchschnitt - sind die Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern größtenteils nicht signifikant.
  2. Die Leistungszuwächse sind in jenen Kompetenzbereichen am größten, in denen das Lernen in der Schule besonders bedeutsam ist. Während die Lesekompetenz im Zusammenspiel von Elternhaus, Nachbarschaft und Schule erworben wird, ist für die Vermittlung von systematischem mathematischen und naturwissenschaftlichen Wissen die Schule entscheidend. Die Leistungsverbesserungen in den Bereichen Mathematik und Naturwissenschaften deuten darauf hin, dass die nach der Veröffentlichung der unbefriedigenden TIMSS-Ergebnisse ab dem Jahr 1997 eingeleiteten Maßnahmen zur Verbesserung des Unterrichts zu ersten Erfolgen geführt haben. Die Kultusministerkonferenz sieht sich damit in ihrer Auffassung bestätigt, dass der Weiterentwicklung des Unterrichts eine zentrale Bedeutung für die Verbesserung von Schülerleistungen zukommt. Hier ist ein Potential für weitere Verbesserungen vorhanden, die allerdings Zeit benötigen.
  3. Besonders erfreulich sind die Länderergebnisse zur erstmals erhobenen Problemlösekompetenz, die für fast alle Länder im oder über dem internationalen Durchschnitt liegen. Differenzierte Analysen weisen darauf hin, dass die im Problemlösen erkennbaren kognitiven Fähigkeiten in einigen Ländern und Schularten angemessen umgesetzt werden, in anderen jedoch nicht. Die im Bereich Problemlösen festgestellte Leistungshöhe kann als realistischer Bezugspunkt für die Kompetenzentwicklung im mathematischen Bereich gelten.
  4. Erfreulicherweise haben auch die Länder, deren Ergebnisse bei PISA 2000 besonderen Anlass zur Sorge gaben, erkennbare Leistungsverbesserungen erreicht. Diese Entwicklung zeigt, dass Anstrengungen im Bildungssystem auch dann zum Erfolg führen, wenn sie unter schwierigen ökonomischen und sozialen Bedingungen erbracht werden müssen. Die adjustierten Leistungswerte belegen, dass die Länderergebnisse auch von der jeweiligen Sozial- und Bevölkerungsstruktur abhängen, die stützende oder erschwerende Rahmenbedingungen darstellen. Das Gesamtbild der Länderprofile wird durch die Adjustierungen aber nicht maßgeblich beeinflusst. Die größeren Anteile für die Kompetenzentwicklung lassen sich auf den Einfluss von Unterricht, Schule und schulische Rahmenbedingungen zurückführen. Dies wird besonders deutlich bei den aktiven Schulen, die trotz ungünstiger Rahmenbedingungen vorhandene Handlungsspielräume aktiv für ihre Arbeit nutzen, z.B. bei Integrierten Gesamtschulen und auch bei Schulen in den neuen Ländern.


II. Positive Entwicklungen:

  1. Zwischen den Ländern bestehen erhebliche Unterschiede in der Kompetenzverteilung in allen untersuchten Inhaltsbereichen. Auch der Vergleich der Gymnasien zeigt deutliche Leistungsabstände zwischen den Ländern, vor allem in den unteren Kompetenzbereichen (Mathematik). Die Abstände zwischen 2000 und 2003 haben sich nicht vergrößert.
  2. In den drei Inhaltsbereichen ist die Leistungsspanne zwischen den Schülerinnen und Schülern nach wie vor sehr groß. Die Streuung in den Kompetenzwerten zeigt in allen Ländern einen zu hohen Anteil von leistungsschwachen Schülerinnen und Schülern mit Größenordnungen in den Ländern von ca. 12 bis 30 Prozent.
  3. Die Leistungsergebnisse von Jugendlichen mit Migrationshintergrund zeigen, dass relativ viele in ihren Leistungen auf den unteren Kompetenzstufen einzuordnen sind. Allerdings sind auch Jugendliche mit Migrationshintergrund in den oberen Leistungsbereichen zu finden. Die detaillierten Analysen weisen auf die Bedeutung der frühzeitigen Aneignung der deutschen Sprache und ihres häufigen Gebrauchs im Alltag für den Schulerfolg hin.
  4. PISA untersucht auch, zu welchem Anteil die Unterschiede in der mathematischen Kompetenz durch Unterschiede in der sozialen Herkunft aufgeklärt werden können. Der internationale Vergleich zeigt, dass für Deutschland eine enge Kopplung zwischen sozialer Herkunft und mathematischer Kompetenz besteht. Die anzustrebende Konstellation eines hohen Kompetenzniveaus bei gleichzeitig geringer Kopplung an die soziale Herkunft wird von drei Ländern erreicht. Für den ebenfalls bedeutsamen Zusammenhang zwischen der sozialen Herkunft und der Bildungsbeteiligung zeigt sich, dass insbesondere die Chance, ein Gymnasium zu besuchen, in einem hohen Maße von der sozialen Herkunft der Schülerinnen und Schüler abhängt. Dabei sind erhebliche Unterschiede zwischen den Ländern festzustellen. Insgesamt existiert in allen Länden immer noch eine starke Kopplung zwischen Bildungserfolg und sozialer Herkunft.
  5. Bedenklich sind die nach wie vor sehr hohen Anteile von Schülerinnen und Schülern mit verzögerter Schullaufbahn. Für die 2003 getesteten Fünfzehnjährigen kann festgestellt werden, dass leistungsschwächere Schülerinnen und Schüler häufig in Wiederholungsschleifen geschickt beziehungsweise an andere Schularten verwiesen werden.


Zentrale Herausforderungen

Der Bericht dokumentiert neben positiven Entwicklungen die unverändert bestehenden Herausforderungen:

  1. Die vorgelegten Befunde zeigen, dass der Anteil von Schülerinnen und Schülern, die am Ende der Pflichtschulzeit in den untersuchten Kompetenzbereichen schwache Leistungen aufweisen, nach wie vor zu groß ist, obwohl sich in einigen Ländern erfreuliche Verbesserungen abzeichnen. Individuelle und frühzeitige Förderung, vor allem von leistungsschwächeren Schülerinnen und Schülern, bleibt die größte Herausforderung für die kommenden Jahre. Diese Förderung ist eine wichtige Investition in die Zukunft, da auf diese Weise auch erhebliche Folgewirkungen von gescheiterten Schullaufbahnen und Berufskarrieren vermieden werden können.
  2. Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund bedürfen der gezielten und möglichst frühzeitigen Unterstützung beim Erwerb der deutschen Sprache. Als besonders beunruhigend muss die Tatsache gelten, dass Schülerinnen und Schüler, die in Deutschland geboren wurden (erste Generation), über die niedrigsten durchschnittlichen Kompetenzen verfügen. Die Beherrschung der deutschen Sprache ist eine grundlegende Voraussetzung für die erfolgreiche Teilhabe am Unterricht, aber auch am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben.
  3. Gemessen an internationalen Maßstäben ist der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft, Kompetenzerwerb und Bildungsbeteiligung nach wie vor zu hoch. Diese enge Kopplung kann nur überwunden werden, wenn Schülerinnen und Schüler im unteren Leistungsbereich erfolgreich gefördert werden.
  4. Die Schaffung vergleichbarer Bildungschancen für die Schülerinnen und Schüler in allen Ländern erfordert gemeinsame Anstrengungen der Länder, dabei muss den unterschiedlichen strukturellen Gegebenheiten und Problemlagen Rechnung getragen werden.


Konsequenzen

Die Kultusministerkonferenz wird ihre gemeinsamen Anstrengungen zur Verbesserung des deutschen Bildungswesens in den dafür beschlossenen sieben zentralen Handlungsfeldern konsequent fortsetzen. Nach Veröffentlichung des internationalen Berichts zu PISA 2003 im Dezember 2004 haben sich die Länder auf Schwerpunkte gemeinsamer Vorhaben geeinigt, deren Dringlichkeit durch die vorgelegten Ergebnisse bestätigt wird:

  1. Verbesserung des Unterrichts zur gezielten Förderung in allen Kompetenzbereichen, insbesondere in den Bereichen Lesen, Geometrie und Stochastik,
  2. die frühzeitige gezielte Förderung von Kindern und Jugendlichen, die aus sozial schwierigem Umfeld stammen oder einen Migrationshintergrund haben, und gezielte Ausgleichsmaßnahmen bei ungünstigen Entwicklungen in der Bildungsbiographie,
  3. Weiterentwicklung der Lehreraus- und -fortbildung, insbesondere im Hinblick auf den Umgang mit Heterogenität, eine Verbesserung der Diagnosefähigkeit und eine gezielte Unterstützung der einzelnen Schülerinnen und Schüler.


Mit den bundesweit geltenden Bildungsstandards hat die Kultusministerkonferenz gemeinsame Vergleichsmaßstäbe geschaffen und gleichzeitig den Wettbewerb im Föderalismus gestärkt. Im Interesse einer Verbesserung des Unterrichts als Kern der schulischen Arbeit wird die Kultusministerkonferenz ihre Anstrengungen fortsetzen, die für alle Länder verbindlichen Bildungsstandards umzusetzen und regelmäßig zu überprüfen. Die dafür notwendigen Arbeiten zur Normierung und Überprüfung der Bildungsstandards werden durch das von allen Ländern getragene Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen an der Humboldt-Universität zu Berlin (IQB) mit großer Intensität durchgeführt. Alle Länder werden darüber hinaus durch länderspezifische und in verstärktem Maße auch durch länderübergreifende Verfahren die Einhaltung der Bildungsstandards überprüfen und die Qualität schulischer Arbeit sichern, um ihren Beitrag zur Verbesserung des Bildungswesens zu leisten. Die Kultusministerkonferenz wird weiter darauf hinarbeiten, die verschiedenen Verfahren zur Qualitätssicherung stärker als bisher aufeinander zu beziehen und die Vergleichbarkeit zwischen den einzelnen Berichten zu erhöhen.

Eine Zusammenfassung der Ergebnisse des zweiten Ländervergleichs PISA 2003 zum Herunterladen finden Sie hier:ZusammenfassungPisa.pdf