Kultusminister Konferenz

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In der Spannung von Konsens und Konflikt durch Sacharbeit überzeugen

Staatsminister Prof. Dr. Hans Joachim Meyer zum Antritt der KMK-Präsidentschaft

"Gerade die Eigenständigkeit der deutschen Länder erfordert ihr stabiles Zusammenwirken, denn sonst wird das bundesstaatlich verfasste Deutschland in Europa und im internationalen Leben zur Provinz", so der neue Präsident der Kultusministerkonferenz, der sächsische Staatsminister für Wissenschaft und Kunst, Prof. Dr. Hans Joachim Meyer, bei seinem offiziellen Amtsantritt in Bonn.

Die KMK habe im Diskurs über Bildung, Wissenschaft und Kultur eine zweifache Rolle. Sie sei einerseits Akteur, indem sie auf der Basis gemeinsamer Positionen "jenes Maß von Verbindlichkeit vereinbart, das für die Kooperation und Mobilität auf den Gebieten von Schule und Hochschule in ganz Deutschland im allgemeinen Interesse liegt". Die Rolle des Akteurs übernehme die KMK zudem dann, wenn sie die Gesamtverantwortung der Länder für die Stellung Deutschlands im wissenschaftlichen und kulturellen Leben wahrnehme und dabei im Rahmen des Grundgesetzes mit dem Bund zusammenarbeite. Zugleich sei die Kultusministerkonferenz aber auch Forum des Diskurses über Bildung, Wissenschaft und Kultur. Denn, so der Präsident, "die Eigenart des deutschen Kulturföderalismus besteht eben darin, dass es nicht nur - wie in jeder Demokratie - eine Konkurrenz um die politische Verantwortung gibt, sondern auch eine Konkurrenz in der politischen Verantwortung".

In diesem Spannungsfeld der Aufgaben müsse die KMK die richtige Mitte immer wieder neu finden, denn "Vielfalt ohne Einheit wird leicht zum Chaos; Einheit, die die Vielfalt überdeckt, führt zum Verlust jedes Profils". Eine Institution wie die KMK, die in der objektiven Spannung zwischen "Konsens und Konflikt" stehe, sei stets in der Gefahr des öffentlichen Missverständnisses und werde für viele zum beliebten Gegenstand von Kritik. Dem könne sie nur durch überzeugende Sacharbeit in ihren beiden Funktionen als Akteur und Forum begegnen.

Die KMK sei mit 50 Jahren schon eine ältere Institution, älter als die Bundesrepublik. Sie habe sich aber entschlossen, sich durch kritische Überprüfung ihrer Themen und Straffung ihrer Arbeit zu reformieren. Es gehe dabei um Konzentration in den Aufgaben und in der Arbeitsweise, nicht um "Reduktion oder gar Amputation". "Ich sehe keine Institution in Deutschland, der die KMK Aufgaben abgeben könnte", so Präsident Prof. Meyer.

Als zentrale Themen der Bildungs-, Wissenschafts- und Kulturpolitik nannte der Präsident u.a. für den Schulbereich die Qualitätssicherung in der Schule und die Reform der Lehrerausbildung; dies seien Schwerpunkte der aktuellen Arbeit der KMK. So beteiligten sich die Länder auf internationaler Ebene am OECD-Projekt PISA und hätten zudem auch regelmäßige länderübergreifende Schulleistungsvergleiche innerhalb Deutschlands beschlossen. In der Lehrerausbildung sei die Verbindung von fachlichem Wissen, didaktischem Wissen und schulpraktischer Erfahrung nicht befriedigend gelöst, ebenso die Verbindung von erster und zweiter Phase der Ausbildung. Eine Kommission aus Amtschefs der Kultusministerien und Hochschullehrern entwickle derzeit Optionen für die Gestaltung einer zukunftsorientierten Lehrerausbildung.

Für den Hochschulbereich betonte der Präsident die Bedeutung des bereits seit einigen Jahren laufenden Reformprozesses im Studienangebot und in den Führungs- und Organisationsstrukturen. Insgesamt bilde sich ein verändertes Verhältnis zwischen Hochschule und Staat heraus. "An die Stelle der für Deutschland so charakteristischen kulturstaatlichen Mischung von Fürsorge und Kuratel muss die Handlungsfähigkeit der Hochschule treten, die sich als akademische Verantwortungsgemeinschaft begreift", sagte der Präsident. Ausdrücklich betonte er aber zugleich die fortdauernde Aufgabe der Länder in der Hochschulgesetzgebung wie in der Hochschulfinanzierung. Allerdings werde das Verhältnis zunehmend darin bestehen, die Zielvorgaben und Leistungsanforderungen gemeinsam zu definieren, während die Verwirklichung der Ziele weitgehend in die Eigenverantwortung der Hochschulen gestellt werde.

Als wichtige Themen benannte Meyer ebenso die Frage der Studienkosten und der Ausbildungsförderung der Studierenden sowie die Internationalisierung der Hochschulen. Bei der Einführung von Bachelor-/Baccalaureus- und Master-/Magisterabschlüssen gehe es nicht um eine Amerikanisierung der deutschen Hochschule, sondern um eine Reform der deutschen Studienstruktur und der akademischen Grade. Der aktuelle Beschluss der KMK zur Einführung eines Akkreditierungsrates für die neuen Studiengänge setze auf die Kooperation und Konkurrenz unterschiedlicher Akkreditierungsverbünde. Zudem sei es unverzichtbar, dass die Ländergemeinschaft strukturelle Eckwerte für die neuen Studiengänge vereinbare. Der Präsident begrüßte es, dass die neue Bundesbildungsministerin sich für ein eigenes Hochschuldienstrecht einsetzen wolle, denn nur mehr Flexibilität beim Personaleinsatz und stärkere Leistunsgsorientierung bei der Besoldung verschafften den Hochschulen die dringend benötigte größere Dispositionsmöglichkeit im Personalbereich.

Für die Kulturpolitik stellte der Präsident fest, dass die KMK immer dann tätig werden müsse, wenn es gelte, das gemeinsame Länderinteresse gegenüber dem Bund und in der europäischen Union zu vertreten. Wichtig seien vor allem: Das Gespräch mit der Bundesregierung über die weitere Verbesserung des Stiftungs- und Steuerrechtes, der Erhalt der Buchpreisbindung, die Abwehr eines Verbots der Teilwertabschreibung im Buchhandel und der Erhalt der Steuerbegünstigungen für Maßnahmen zur Erhaltung von Baudenkmälern. 

 

Antrittsrede  des Sächsischen Staatsministers für Wissenschaft und Kunst
Prof. Dr. Hans Joachim Meyer anlässlich der Übernahme der Präsidentschaft der Kultusministerkonferenz am 18. Januar 1999  im Sekretariat der Kultusministerkonferenz in Bonn   

Bonn, den 18.Januar 1999

- Es gilt das gesprochene Wort -

Heute nimmt in Deutschland der Diskurs über Bildung und Wissenschaft wieder einen herausragenden Platz ein. Seinen Ausdruck findet dies in zahlreichen Aktionen und Initiativen, mit denen die deutsche Öffentlichkeit bereits seit vielen Jahren an der Bildungs- und Wissenschaftspolitik Anteil nimmt. Für April dieses Jahres hat der Bundespräsident zu einem Bildungskongress eingeladen. Dass es Bildung und Wissenschaft sind, von denen ganz wesentlich die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft abhängt, ist dadurch immer stärker in das öffentliche Bewusstsein gerückt. Zugleich wird uns immer deutlicher, dass Bildung und Wissenschaft nur erfolgreich sein können, wenn sie sich auf das zusammenwachsende Europa einstellen und sich im internationalen Wettbewerb bewähren.

Im Diskurs über Bildung, Wissenschaft und Kultur hat die Kultusministerkonferenz eine zweifache Aufgabe. Sie ist einerseits Akteur, indem sie die gemeinsamen Positionen der deutschen Länder formuliert und auf dieser Grundlage jenes Maß von Verbindlichkeit vereinbart, das für die Kooperation und Mobilität auf den Gebieten von Schule und Hochschule in ganz Deutschland im allgemeinen Interesse liegt. Zugleich nimmt sie die Gesamtverantwortung der Länder für die Stellung Deutschlands im wissenschaftlichen und kulturellen Leben wahr, wobei sie hier im Rahmen des Grundgesetzes mit dem Bund zusammenwirkt. Gerade die Eigenständigkeit der deutschen Länder erfordert ihr stabiles und geregeltes Zusammenwirken, denn sonst wird das bundesstaatlich verfasste Deutschland in Europa und im internationalen Leben zur Provinz.

Die Kultusministerkonferenz ist jedoch zugleich Forum des Diskurses über Bildung, Wissenschaft und Kultur. Denn es ist eine notwendige Konsequenz des deutschen Föderalismus, dass für Bildung, Wissenschaft und Kultur gleichzeitig unterschiedliche politische Kräfte in der Verantwortung stehen und nebeneinander unterschiedliche Auffassungen verwirklicht werden. Die Eigenart des deutschen Kulturföderalismus besteht eben darin, dass es nicht nur - wie in jeder Demokratie - eine Konkurrenz um die politische Verantwortung gibt, sondern auch eine Konkurrenz in der politischen Verantwortung.

Die zweifache Aufgabe der Kultusministerkonferenz als Akteur und als Forum der Bildungs-, Wissenschafts- und Kulturpolitik bedingt ein Spannungsfeld, in dem die richtige Mitte immer neu zu finden ist. Die richtige Mitte zu finden, ist bekanntlich ein Ideal, das sich nur näherungsweise verwirklichen lässt. Vielfalt ohne Einheit wird leicht zum Chaos; Einheit, die die Vielfalt überdeckt, führt zum Verlust jedes Profils. Solche Fehlleistungen führen in Zeiten der allgemeinen Staatsverdrossenheit und kritischer Anfragen an die Wirkungsweise des Föderalismus unweigerlich dazu, die Berechtigung einer Institution wie die Kultusministerkonferenz überhaupt in Zweifel zu ziehen. Die Notwendigkeit zu größerer öffentlicher Sparsamkeit unterstreicht solche Fragen noch. Überdies ist ein Spannungsfeld zwischen zwei unterschiedlichen Rollen in der öffentlichen Wahrnehmung schwer zu vermitteln. Ein Gremium zwischen Konsens und Konflikt steht da leicht in der Gefahr des öffentlichen Missverständnisses und wird für viele zum beliebten Gegenstand von Kritik. Die Spannung zwischen Konsens und Konflikt ist jedoch ein objektiver Sachverhalt. Der Kritik kann die Kultusministerkonferenz also nur durch überzeugende Sacharbeit in ihren beiden Rollen als Akteur und als Forum begegnen.

Freilich neigen ältere Institutionen - und die KMK ist älter als die Bundesrepublik - zur ritualisierten Routine, zu leerer Geschäftigkeit und zu inhaltsarmen Proklamationen. Auch ist für die Mitglieder solcher Gremien gelegentlich die Versuchung zu taktischen Spielereien unwiderstehlich. Und nichts ist für Politiker wie Beamte verführerischer als die Möglichkeit, ungelöste Aufgaben an Unterausschüsse und Unterunterausschüsse weiterzureichen. Daher hat sich die Kultusministerkonferenz im Jahr ihres fünfzigsten Jubiläums zu einer Reform entschlossen und entschieden, ihre Themen kritisch zu überprüfen und insbesondere ihre Arbeitsweise zu straffen. Meine Vorgängerin im Präsidentenamt, Frau Kollegin Behler, hat dazu am Ende des vorigen Jahres Anregungen vorgelegt, und wir haben uns zu einer Klausur des Präsidiums im Februar verabredet. Ich sehe Reformmöglichkeiten in inhaltlicher, in prozeduraler und in struktureller Hinsicht. Es geht um Konzentration in den Aufgaben und in der Arbeitsweise, aber nicht um Reduktion oder gar Amputation. Und ich sehe keine Institution in Deutschland, der die KMK Aufgaben abgeben könnte. Auch ist es ein bewährter Grundsatz der Kultusministerkonferenz, dass ihre innere Organisation nicht der jeweiligen politischen Konstellation folgt.

Von großer Bedeutung für die Wirksamkeit der KMK ist die Kompetenz des Generalsekretärs und des gesamten Sekretariats, denn die gemeinsamen Aufgaben der Länder sind nur durch sachgerechte Vorbereitung der Erörterungen und Entscheidungen und durch verlässliche Ausführung der Beschlüsse zu erfüllen. Und dies muss geschehen in gleichsam doppelter Transparenz, nämlich gegenüber den Ländern und gegenüber der deutschen Öffentlichkeit. Die Bürgerinnen und Bürger auf der Grundlage der von den Ländern erreichten Gemeinsamkeit durch professionelle Arbeit vom Leistungsvermögen der KMK zu überzeugen, ist eine große Herausforderung. Daher verdient diese Arbeit den Dank aller Länder.

Ein zentrales Thema der Bildungspolitik ist die Qualitätssicherung in den Schulen. Bekanntlich haben die vor einiger Zeit publizierten Ergebnisse eines internationalen Leistungsvergleichs in der Mathematik und den Naturwissenschaften große öffentliche Aufmerksamkeit erregt. Die Frage, wie diese Ergebnisse zu bewerten sind und welche Schlussfolgerungen daraus gezogen werden müssen, steht darum im Mittelpunkt der Gespräche und Überlegungen in der Kultusministerkonferenz. Selbstverständlich geht die Initiative zu neuen Ansätzen in der Schulpolitik immer von einzelnen Ländern aus. Und selbstverständlich ist auch, dass strukturelle oder curriculare Änderungen, ich denke hier z. B. an die gymnasiale Oberstufe, stets auch eine bestimmte schulpolitische Handschrift tragen. Das Gemeinsame an diesen Ansätzen ist, trotz ihrer Unterschiedlichkeit, die erhöhte Verantwortung der Bildungspolitik für die Motivation und die Kompetenz der jungen Generation auf diesen Gebieten. Mathematik und Naturwissenschaften gehören zu den notwendigen Grundlagen der Gesellschaft und jedes Einzelnen. Der dramatische Rückgang der Studentenzahlen in der Mathematik und in den Natur- und Ingenieurwissenschaften ist ein Alarmsignal für uns alle. Das gilt gerade für Deutschland, dessen wichtigste Ressource das Humankapital ist. Wir müssen uns fragen, ob die Rolle von Mathematik und Naturwissenschaft innerhalb der allgemeinen Bildungsgrundlagen nicht zu sehr zu einer Angelegenheit der individuellen Entscheidung junger Menschen gemacht worden ist, und zwar zu einem Zeitpunkt, bei dem für viele der rigorose Anspruch dieser Fächer eine größere Rolle spielt als deren intellektuelle Faszination. Bildung als Chance für alle zu definieren, kann und darf ja nicht heißen, beliebige Wege anzubieten und es so dem Einzelnen zu ersparen, sich der Mühe und Anstrengung zu stellen, ohne die nun einmal wahre Bildung und wirkliche Wissenschaft nicht zu haben sind. Es ist dies übrigens eine Anforderung, die für alle Fächer unverzichtbar ist. Mich erschreckt es schon, dass es Germanistikstudenten geben soll, denen das Lesen längerer und komplizierter Texte kein Vergnügen, sondern eine unzumutbare Belastung ist.

Besonderen Wert lege ich daher auf die Feststellung, dass die Kultusministerkonferenz 1998 beschlossen hat, am internationalen OECD-Projekt PISA teilzunehmen, dessen erster Erhebungszyklus vorrangig der Lesekompetenz gewidmet ist. Daneben werden als Nebenkomponenten mathematische und naturwissenschaftliche Kompetenzen sowie curriculare Querschnittskompetenzen einbezogen. Schon 1997 hatte die KMK mit ihrem Konstanzer Beschluss die Qualitätssicherung im deutschen Schulwesen zum Gegenstand des gemeinsamen Bemühens aller Länder erklärt. Hier bieten sich Gemeinsamkeiten mit dem Projekt PISA an, soweit das durch die Ausgestaltung der so genannten &qout;Nationalen Option" möglich ist. Derzeit werden konkrete Entscheidungsvorlagen für den innerdeutschen Vergleich bei der muttersprachlichen Kompetenz und bei der Fremdsprachenkompetenz erarbeitet, die im Frühjahr 1999 der Kultusministerkonferenz vorliegen werden. Überdies wurde 1998 eine Bestandsaufnahme der in den Ländern verwendeten Verfahren zur Qualitätsevaluation im Schulwesen durchgeführt, deren Ergebnisse derzeit zusammenfassend dargestellt werden.

Ein weiteres gemeinsames Projekt der Kultusministerkonferenz im Bereich der Schule ist die Gemischte Kommission Lehrerbildung, in der Amtschefs und Hochschullehrer unter Vorsitz von Prof. Terhart von der Universität Bochum Optionen für die Gestaltung einer zukunftsorientierten Lehrerausbildung entwickeln und bewerten sollen. Nach dem Urteil der Fachleute ist die derzeitige Situation außerordentlich unbefriedigend. Die zentrale Aufgabe, fachliches Wissen, didaktisches Wissen und schulpraktische Erfahrung zu vereinen, ist weitgehend ungelöst. Und die Verbindung von 1. und 2. Phase der Lehrerbildung lässt ebenfalls zu wünschen übrig. So sehe ich also den Ergebnissen mit Spannung entgegen. Nach der Sommerpause 1999 wird der Abschlussbericht vorliegen. Dann wird über das weitere Vorgehen zu entscheiden sein.

Im deutschen Hochschulwesen vollzieht sich seit einigen Jahren ein erfolgreicher Reformprozess, und zwar sowohl im Studienangebot als auch in den Führungs- und Organisationsstrukturen. Das ist weithin ein Verdienst der Hochschulen und der Wissenschaft selbst und ihrer gesamtdeutschen Gremien und Organisationen. Es ist ebenfalls ein Verdienst von Ländern, die in Hochschulgesetzen und bei den Hochschulfinanzen neue Wege beschreiten. Das noch vom alten Bundestag beschlossene neue Hochschulrahmengesetz, an dessen Ausarbeitung einige A- und B-Länder maßgeblich beteiligt waren, ist diesen Entwicklungen gerecht geworden und hat zugleich neue Gestaltungsräume eröffnet. Durch die Minderung der Regelungsdichte entspricht das Bundesgesetz jetzt besser seinem Charakter als Rahmengesetz. Daher würde ich es auch begrüßen, wenn noch als offen angesehene Fragen durch Länderübereinkunft geregelt würden und nicht durch eine sicherlich konfliktträchtige Ergänzung des Hochschulrahmengesetzes. Die derzeitige Debatte, ob und wie die Studierenden oder die Hochschulabsolventen an den Studienkosten zu beteiligen wären, ist ohnehin nicht durch eine Rechtsnorm zu beenden. Vielmehr müssen wir realistisch die Frage beantworten, wie die Studiermöglichkeit für jeden, der zum Studium befähigt und zu einer solchen Anstrengung bereit ist, finanziell real gesichert werden kann. Daneben suchen die Länder schon seit langem eine neue Lösung für die Lebenshaltungskosten, und zwar durch eine solche Art der Ausbildungsförderung, die es den Studenten ermöglicht, sich voll auf ihr Studium zu konzentrieren. Bei aller Unterschiedlichkeit der Positionen stimmen alle darin überein, dass die Gefördertenquote deutlich erhöht werden muss und dass mehr Verteilungsgerechtigkeit und Transparenz des Systems notwendig sind. Bekanntlich sind die Frage der Studienkosten und die Frage der Lebenshaltungskosten durch Ausbildungsförderung nicht identisch, aber ich will doch daran erinnern, dass die erste Frage nicht beantwortet werden kann, ohne dass die zweite befriedigend gelöst wird.

Gegenwärtig bildet sich ein neues Konzept der deutschen Hochschule heraus. Die Hochschule ist heute als Forschungsstätte und Bildungseinrichtung Teil eines gesellschaftlichen Systems, in dem Wettbewerb und Leistungsorientierung zunehmend zu gestaltenden Faktoren werden. Unter solchen Bedingungen erscheint es nicht länger möglich, Hochschulen als Teil der Staatsverwaltung zu führen. An die Stelle der für Deutschland so charakteristischen kulturstaatlichen Mischung von Fürsorge und Kuratel muss die Handlungsfähigkeit der Hochschule treten, die sich als akademische Verantwortungsgemeinschaft begreift. Das erfordert erstens solche Entscheidungs- und Leitungsstrukturen, die es möglich machen, die Hochschule als ein dem Gemeinwohl dienendes Unternehmen im öffentlichen Auftrag zu führen. Und das erfordert zweitens größere Dispositionsfreiheit der Hochschulen über die ihnen zugewiesenen Mittel und den Übergang zur Programmsteuerung. Für beides müssen die Länder im Zusammenwirken mit den Hochschulen die notwendigen Voraussetzungen schaffen.

Ausdrücklich betone ich hier die fortdauernde Aufgabe der Länder in der Hochschulgesetzgebung wie in der Hochschulfinanzierung. Es wäre naiv anzunehmen, mehr Finanzautonomie für die Hochschulen als Weiterentwicklung der akademischen Autonomie bedeute, dass der Staat künftig das öffentliche Geld an der Hochschultür abliefert und blind darauf vertraut, dass die Hochschulen damit schon das Rechte anstellen. Auch weiterhin trägt der Staat, und das sind in diesem Falle die Länder, gegenüber den Wahlbürgern und Steuerzahlern die Verantwortung für die sachgerechte Verwendung der den Hochschulen zur Verfügung gestellten öffentlichen Mittel. Das bedeutet jedoch keineswegs zwingend kameralistische Haushaltsführung und Allmacht der Ministerialbürokratie. Vielmehr sollte die Aufgabe des Staates darin bestehen, grundsätzlich zu regeln, auf welche Weise und nach welchen Kriterien in der Hochschule selbst über den Mitteleinsatz entschieden wird. Das Verhältnis von Staat und Hochschulen wird also zunehmend darin bestehen, die Zielvorgaben und Leistungsanforderungen gemeinsam zu definieren, während die Verwirklichung dieser Ziele weitgehend in der Eigenverantwortung der Hochschule liegt, die sich dabei auf ein differenziertes System der Leistungsbewertung und Leistungsbemessung stützt. Dafür können auch Kuratorien oder Hochschulräte hilfreich sein, wenn deren Mitglieder unabhängige und mit der Eigenart einer Hochschule vertraute Persönlichkeiten sind, die sich für das Gesamtinteresse ihrer Hochschule verantwortlich fühlen, ohne eigene Interessen innerhalb der Hochschule zu verfolgen.

Zu den notwendigen Rahmenbedingungen der Hochschulen gehören allerdings neben einer entsprechenden Regelung der Hochschulverfassung und der Hochschulfinanzen dringend eine größere Dispositionsmöglichkeit im Personalbereich. Schlüsselbegriffe sind hier: mehr Flexibilität beim Personaleinsatz und eine stärkere Leistungsorientierung bei der Besoldung. Bekanntlich ist für eine Reform des Dienstrechts der Bund gefordert. Ich freue mich, dass die neue Bundesbildungsministerin dieses Vorhaben der alten Bundesregierung fortsetzen will, und ich begrüße insbesondere ihre Absicht, sich für ein eigenes Hochschuldienstrecht einzusetzen, das gegenüber dem allgemeinen Dienstrecht den besonderen Bedingungen der Wissenschaft angemessen Rechnung trägt. Aus dem Kreis der Länder sind hier schon seit einiger Zeit Vorschläge formuliert worden. Für die Arbeit der KMK stehen jetzt folgende Diskussionsthemen auf der Tagesordnung: Die leistungsorientierte Besoldung; das einheitliche Professorenamt; die Gewährung von Zulagen; die Ausgestaltung der Teilzeitprofessur; die Entwicklungsmöglichkeiten des Hochschullehrernachwuchses; die Schaffung eines Qualifizierungsamtes neben der Habilitation und den anderen Qualifizierungswegen zur Professur. Außerordentlich dankbar bin ich für die mutige Initiative der Hochschulrektorenkonferenz, weil sie geeignet ist, die Überlegungen über die Definition eines Grundgehalts mit Leistungszulage und über faire und nachprüfbare Methoden der Leistungsbewertung voranzubringen. Dabei bin ich mir der Tatsache wohl bewusst, dass an den deutschen Hochschulen auch heute und nicht selten unter schwierigen Bedingungen hart und erfolgreich gearbeitet wird. Nicht zuletzt zeigen die Vorschläge der Hochschulrektorenkonferenz, dass jeder pauschale Vorwurf an unsere Hochschulen, sie seien an Qualität nicht genügend interessiert und sich ihrer Verantwortung nicht bewusst, ungerechtfertigt und abwegig ist.

Ein kontroverses Feld, weniger der Hochschulleitungen als vielmehr der Hochschulpolitik, bleibt die Forderung, die Mitwirkungsmöglichkeiten der Hochschulen bei der Auswahl der Studierenden zu erhöhen. Mit der Einführung der Hochschulquote im Auswahlverfahren bei der Hochschulzulassung ist das Hochschulrahmengesetz zwar einen Schritt in diese Richtung gegangen. Die Regelungen greifen jedoch nur für einen kleinen Teil der Studienbewerber und sind überdies nachrangig. Ein Wettbewerb der Hochschulen um die besten Studierenden und der Studienbewerber um die besten Hochschulen wird damit nicht erreicht.

Eine wichtige gemeinsame Aufgabe ist die stärkere Internationalisierung unserer Hochschulen. Wissenschaft ist ihrem Wesen nach immer international und Entsprechendes gilt für die Bildung durch Wissenschaft - das Hochschulstudium. Die deutschen Universitäten haben in der Geschichte für die Entwicklung eines weltweiten Hochschulwesens eine maßgebliche Rolle gespielt. Nicht wenige amerikanische Forschungsuniversitäten - und nur solche sind mit unseren Universitäten vergleichbar - rühmen sich bis heute, dem Vorbild der Humboldt'schen Universitätsgründung verpflichtet zu sein. Wo es moderne Universitäten gibt, ist auch der Geist Humboldts lebendig. Die Idee der Universität lebt wie die Wissenschaft vom wechselseitigen Austausch und nicht von der Einbahnstraße oder gar von der Kopie. Die stärkere Internationalisierung der deutschen Hochschule kann darum auch nicht in ihrer Amerikanisierung bestehen. Wer behauptet, es gäbe ein angloamerikanisches Graduierungssystem und dieses seien die internationalen Grade "Bachelor" und "Master", verrät nur seine Unkenntnis in der Sache. Tatsächlich stehen diese beiden Ausdrücke für eine höchst unterschiedliche und nicht selten widersprüchliche Vielfalt. Daher kann es nur um eine Reform der deutschen Studienstruktur gehen und um eine Reform der deutschen akademischen Grade. Zur Einführung gestufter Studiengänge hat der Wissenschaftsrat in den vergangenen Jahren mehrfach bedenkenswerte Vorschläge gemacht, die jetzt durch das Modell der konsekutiven Studiengänge mit zwei aufeinander folgenden Graden einen neuen Impetus erhalten haben. Für die Einführung solcher Grade an Stelle des nicht eindeutig übersetzbaren Diploms bietet die deutsche akademische Tradition Möglichkeiten, die weltweit besser verständlich sind und in der Tat zu englischen und amerikanischen Graden in Beziehung gesetzt werden können, ohne mit diesen identifizierbar zu sein.

Zurzeit befinden wir uns in einer Erprobungsphase, die von den Hochschulen aktiv genutzt wird. Mit ihrem Beschluss zur Einführung eines Akkreditierungsrates für Bachelor-/Baccalaureus- und Master-/Magisterstudiengänge vom 3. Dezember 1998 hat die Kultusministerkonferenz einen neuen Weg eingeschlagen, der diese Erprobung unterstützen und die neuen Möglichkeiten vor Missbrauch bewahren soll. Nben das herkömmliche staatliche Genehmigungsverfahren auf der Grundlage der von HRK und KMK beschlossenen Rahmenordnungen zur Sicherung der Gleichwertigkeit auf möglichst hohem Niveau tritt jetzt die Akkreditierung mit Hilfe von Gutachterverfahren zur Gewährleistung fachlicher Mindeststandards und beruflicher Relevanz. Dabei hat sich die KMK bewusst mit der Errichtung eines umfassenden Akkreditierungssystems zurückgehalten, sondern auf die Kooperation und Konkurrenz unterschiedlicher Akkreditierungsverbünde gesetzt. Unverzichtbar bleibt jedoch das gewiss nicht einfache Konsensvorhaben der Ländergemeinschaft, sich auf strukturelle Eckwerte für die Entwicklung der konsekutiven Studiengänge und ihrer Grade zu verständigen.

Insgesamt befinden wir uns in einer Übergangsphase, die neben Chancen auch Risiken birgt oder doch zumindest Fragen aufwirft. So führt das Nebeneinander eines etablierten Systems der Studiengänge und ihrer Abschlüsse und der erst noch zu erprobenden konsekutiven Studiengänge mit den Graden Bachelor/Baccalaureus und Master/Magister nach § 19 HRG zu einer Vielzahl von Anpassungs- und Übergangsproblemen. Offen ist auch, ob die institutionelle Differenzierung nach Hochschularten durch eine Differenzierung nach der Art der Studiengänge abgelöst werden soll. Nach meiner Überzeugung ist die deutsche Aufgabenteilung zwischen Universitäten und Fachhochschulen ein Gewinn, der nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden darf. Zu meinem Bedauern war es nicht möglich, zuerst die Ziele und Wege einer Reform unserer Studiengänge und akademischen Grade zu klären und diese dann zügig und systematisch umzusetzen. Das bringt die Gefahr mit sich, dass die einen ihre Absichten mit kritikloser Euphorie verfolgen und die anderen sich hinhaltend der Reform entziehen. Die oberflächliche Gleichsetzung von Internationalisierung und Amerikanisierung in der Öffentlichkeit verbunden mit einer selektiven Wahrnehmung der amerikanischen Universitätsrealität verschärft diese Gefahren noch. Trotzdem setze ich weiterhin auf einen wirklichen Fortschritt durch die derzeitigen Reformen.

Im vergangenen Jahr ist die Kulturpolitik wieder verstärkt zu einem Thema der deutschen Öffentlichkeit geworden. Kulturpolitik hat es vor allem mit den Rahmenbedingungen für das kulturelle Leben zu tun. Dies festzustellen bedeutet keine Geringschätzung der Kultur, sondern Achtung vor der Notwendigkeit ihrer inneren Freiheit. Die Kultur ist das wichtigste Fundament für unsere Gesellschaft und ein bedeutsamer Baustein für die europäische Gemeinsamkeit. Dem hat Kulturpolitik zu dienen. Das weitaus meiste geschieht in der Kulturpolitik auf der Ebene der Länder und Kommunen. Die Kultusministerkonferenz muss kulturpolitisch tätig werden, wenn es gilt, das gemeinsame Länderinteresse gegenüber dem Bund und der Europäischen Union zu vertreten. An wichtigen Themen und Aufgabenfelder sehe ich hier:

das Gespräch mit der Bundesregierung über die weitere Verbesserung des Stiftungs- und Steuerrechts auf der Grundlage des 1997 verabschiedeten Prioritätenkatalogs der Kultusministerkonferenz;

den Erhalt der Buchpreisbindung gegen die Absichten der EU-Kommission, damit eine Verarmung der Verlagslandschaft und eine Ausdünnung der Buchproduktion verhindert wird;

die Abwehr des in den letzten Wochen seitens der Bundesregierung angedachten Verbots der Teilwertabschreibung, um unseren qualitativ hochstehenden Buchhandel zu schützen;

die Abwehr der Absicht der Bundesregierung, Steuerbegünstigungen für Maßnahmen zur Erhaltung von Denkmälern zu verringern, wie das auch schon die alte Bundesregierung geplant hatte. Diesem Thema werde ich in meiner Eigenschaft als Präsident des Nationalkomitees für Denkmalschutz einen parlamentarischen Abend am 27. Januar widmen;

die Klärung der Verhandlungsführung über kulturpolitische Fragen in EU-Gremien, wenn "im Schwerpunkt" ausschließliche Gesetzgebungsbefugnisse der Länder betroffen sind - auch dies leider ein altes Thema zwischen Bund und Ländern.

Derzeit wird das "Erste Rahmenprogramm der Europäischen Union zur Kulturförderung" für die Jahre 2000 bis 2004 verhandelt. Die deutschen Länder wollen den Dialog und die Begegnung der Kulturen fördern mit dem Ziel, die Vielfalt europäischer Kulturen zu zeigen. Daher werden sie zugleich für die strikte Beachtung des Subsidiaritätsgedankens eintreten, denn die Idee von einer europäischen Identität gründet auf dem Verständnis der Eigenart der europäischen Kulturen in ihrer wechselvoll ineinander verwobenen Geschichte. Im gleichen Sinne wollen wir die Neuauflage der europäischen Bildungsprogramme SOKRATES und LEONARDO ab dem Jahr 2000 nutzen, mit denen die europäische Bildungskooperation weiter geführt und weiter entwickelt werden soll.

Bildung, Wissenschaft und Kultur leben von der Kreativität und dem Interesse der Menschen, die in Freiheit und Selbstverantwortung handeln. Die Politik kann dieses Handeln fördern, aber auch hemmen. Auf welche Weise Förderung erfolgen kann und erfolgen soll, ist eine Sache der politischen Überzeugung und mithin ein Thema des öffentlichen Diskurses. Die Kultusministerkonferenz wird auch 1999 ihre Aufgabe darin sehen, im Wettbewerb widerstreitender Überzeugungen jenes Maß von Zusammenarbeit zu erreichen, das auch in der Vielfalt des deutschen Föderalismus notwendige Grundbedingung für das Gedeihen von Bildung, Wissenschaft und Kultur in unserem Gemeinwesen ist.