Kultusminister Konferenz

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Stellungnahme der Kultusministerkonferenz zu den Ergebnissen des Ländervergleichs von PISA 2003

Länder auf gutem Weg: Ermutigende Ergebnisse beim zweiten Ländervergleich

Die Kultusministerkonferenz begrüßt die frühzeitige Information über den im Rahmen von PISA 2003 durchgeführten Ländervergleich. Dies ist ein Beitrag zur öffentlichen Transparenz der Leistungsfähigkeit unseres Bildungssystems. Die Kultusministerkonferenz hat deshalb das PISA-Konsortium gebeten, in Abweichung von dem vereinbarten Zeitplan einen Vorbericht vorzulegen, der zu einem früheren Zeitpunkt Auskünfte über zentrale Ergebnisse des Ländervergleichs gibt.

Inhalt der Studie
Der jetzt veröffentlichte Vorbericht informiert über Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten von fünfzehnjährigen Schülerinnen und Schülern in deutschen Schulen im Vergleich der Länder der Bundesrepublik und im Vergleich mit den anderen Mitgliedsstaaten der OECD. Im Rahmen einer Fachtagung der KMK am 3. November 2005 wird der ausführliche Bericht zum Ländervergleich PISA 2003 der Öffentlichkeit vorgestellt.

Der Vorbericht gibt Auskünfte über folgende Bereiche und Sachverhalte:

  • Es werden die Ergebnisse der bei PISA regelmäßig erfassten Kompetenzen zu den Bereichen Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften vorgelegt, die für das Weiterlernen und die Bewältigung der Anforderungen im Berufsleben grundlegend sind.

  • Bei PISA 2003 wird zum ersten Mal auch ein internationaler Vergleich für den Bereich Problemlösen durchgeführt. Dabei geht es um Kompetenzen im Bereich der Lösung realer Probleme, in denen fachliche Kompetenzen aus verschiedenen Bereichen gebündelt und auf alltagsnahe Problemstellungen angewendet werden ("intelligente Anwendung von Wissen").

  • Für alle Kompetenzbereiche werden nicht nur Mittelwerte, sondern auch Streuungen ausgewiesen (sog. Perzentilbänder), um unterschiedliche Leistungsverteilungen sichtbar machen zu können.

  • Bei der internationalen Einordnung der Länder wird geprüft, inwieweit die Länder oberhalb, im Durchschnitt oder unterhalb des OECD-Durchschnitts liegen. Die Unterschiede zwischen einzelnen Ländern innerhalb dieser Gruppen sind größtenteils nicht signifikant.

  • Um überprüfen zu können, inwieweit die Ergebnisse der Länder auf Unterschiede in der Sozialstruktur der Schulbevölkerung und auf unterschiedliche Anteile an Zuwandererfamilien zurückzuführen sind, werden exemplarisch für Mathematik so genannte adjustierte Werte berechnet. Dies sind Ergebnisse, die bei vergleichbarer Sozial- und Bevölkerungsstruktur zu erwarten wären.

  • Mit PISA 2003 können zum ersten Mal die Ergebnisse zweier Erhebungen verglichen werden. Der Vorbericht weist für alle Kompetenzbereiche die länderspezifischen Veränderungen zwischen PISA 2000 und PISA 2003 aus.

  • Abschließend wird im nationalen und internationalen Vergleich über den Zusammenhang von sozialer Herkunft und Kompetenzerwerb berichtet.

Zentrale Ergebnisse von PISA 2003-E: Das System ist in Bewegung geraten
Die jetzt präsentierten Ergebnisse des zweiten Vergleichs der Länder in Deutschland ergänzen die im Dezember 2004 veröffentlichten Befunde über die Leistungen der Jugend-lichen Deutschlands im internationalen Vergleich in bemerkenswerter Weise: In allen Län-dern haben sich die Leistungen in den letzten Jahren nicht nur stabilisiert, sondern in vielen Fällen signifikant verbessert, in manchen Kompetenzbereichen und Ländern deutlicher und früher, als man erwarten konnte. Die z.T. eindrucksvollen Leistungszuwächse zeigen, dass in Deutschland nach der Veröffentlichung der enttäuschenden Ergebnisse von TIMSS und PISA 2000 das Problembewusstsein für Bildungsfragen geschärft wurde und die Aufmerksamkeit seitdem konsequent auf die Ergebnisse von Bildungsprozessen gerichtet ist. Es hat sich ein Mentalitätswandel vollzogen, der Früchte trägt und so schon kurzfristig zu Verbesserungen geführt hat. Dies ist ein gemeinsames Verdienst von Schülerinnen und Schülern, Eltern, Lehrkräften, der Öffentlichkeit und von Bildungspolitik und Bildungsverwaltung. Die Kultusministerkonferenz betrachtet diese erfreulichen Ergebnisse als Herausforderung, die begonnenen Anstrengungen fortzusetzen und - wo immer möglich - zu intensivieren.
Ergebnisse im Einzelnen
Die Kultusministerkonferenz möchte folgende Ergebnisse des Vorberichts herausstellen, die zeigen, dass sich eine positive Dynamik im Bildungssystem entwickelt hat:

  1. Alle Länder können in fast allen Kompetenzbereichen - der Tendenz nach oder substanziell - Verbesserungen verzeichnen.

  2. Die Länderergebnisse lassen auch im internationalen Vergleich Verbesserungen erkennen, da die mittleren Ergebnisse in Mathematik und Naturwissenschaften der meisten Länder jetzt im oder über dem Bereich des OECD-Durchschnitts liegen. Einigen Ländern ist es darüber hinaus gelungen, Anschluss an die internationale Spitze zu gewinnen.

  3. Die Leistungszuwächse sind in jenen Kompetenzbereichen am größten, in denen das Lernen in der Schule besonders bedeutsam ist. Während die Lesekompetenz im Zusammenspiel von Elternhaus, Nachbarschaft und Schule erworben wird, ist für die Vermittlung von systematischem mathematischen und naturwissenschaftlichen Wissen die Schule entscheidend. Die Leistungsverbesserungen in den Bereichen Mathematik und Naturwissenschaften deuten darauf hin, dass die nach der Veröffentlichung der unbefriedigenden TIMSS-Ergebnisse ab dem Jahr 1997 eingeleiteten Maßnahmen zur Verbesserung des Unterrichts zu ersten Erfolgen geführt haben. Die Kultusministerkonferenz sieht sich damit in ihrer Auffassung bestätigt, dass der Weiterentwicklung des Unterrichts eine zentrale Bedeutung für die Verbesserung von Schülerleistungen zukommt und dass hier ein Potential für weitere Verbesserungen vorhanden ist, die allerdings Zeit benötigen.

  4. Besonders erfreulich sind die Länderergebnisse zur Problemlösekompetenz. Kennzeichnend sind hier ein auch im internationalen Vergleich hohes Niveau und relativ geringe Streuungen. Praktisch alle Länder der Bundesrepublik Deutschland erreichen mindestens das mittlere OECD-Niveau. In diesen Ergebnissen sieht die Kultusministerkonferenz aber auch Anhaltspunkte für das im Bereich der Fachkompetenzen vorhandene Verbesserungspotential.

  5. Die adjustierten Leistungswerte zeigen, dass die Länderergebnisse auch von der jeweiligen Sozial- und Bevölkerungsstruktur abhängen, die stützende oder erschwerende Rahmenbedingungen darstellen. Das Gesamtbild der Länderprofile wird durch die Adjustierungen aber nicht maßgeblich beeinflusst.

  6. Erfreulicherweise haben auch die Länder, deren Ergebnisse bei PISA 2000 besonderen Anlass zur Sorge gaben, substanzielle Leistungsverbesserungen erreicht. Das zeigt, dass Anstrengungen im Bildungssystem auch dann zum Erfolg führen, wenn sie unter schwierigen ökonomischen und sozialen Bedingungen erbracht werden müssen. Dies ist für alle Verantwortlichen im Bildungswesen ermutigend.

Zentrale Herausforderungen
Auch wenn die Kultusministerkonferenz die positiven Entwicklungen besonders betont, übersieht sie nicht die unverändert bestehenden Herausforderungen, die der Vorbericht ebenfalls dokumentiert.

  1. Die vorgelegten Befunde zur Lesekompetenz zeigen, dass der Anteil von Schülerinnen und Schülern, die am Ende der Pflichtschulzeit Deutsch auf einem nur unzureichenden Niveau beherrschen und auch in anderen Kompetenzbereichen schwache Leistungen aufweisen, nach wie vor zu groß ist. Auch wenn der Umfang dieser Risikogruppe von Land zu Land unterschiedlich ist und sich in einigen Ländern erfreuliche Verbesserungen abzeichnen, ist die rechtzeitige Förderung der Schülerinnen und Schüler eine Herausforderung, der sich alle Länder stellen müssen. Die Kultusministerkonferenz ist der Überzeugung, dass hierzu verstärkte systematische Anstrengungen notwendig sind. Dazu gehören die frühzeitige gezielte Förderung von Kindern und Jugendlichen, die aus sozial schwierigem Umfeld stammen oder einen Migrationshintergrund haben, und gezielte Ausgleichsmaßnahmen bei ungünstigen Entwicklungen in der Bildungsbiographie. Zu dem Bündel notwendiger Maßnahmen zählen eine frühe Förderung vor und nach Beginn der Schulzeit, die differenzierte Förderung im Unterricht und außerhalb der Unterrichtszeit sowie der weitere Ausbau von Ganztagsangeboten.

  2. Der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Kompetenzerwerb ist in den meisten Ländern der Bundesrepublik - gemessen an internationalen Maßstäben - nach wie vor zu hoch. Die weiterhin bestehende enge Kopplung zwischen sozialer Herkunft und Kompetenzerwerb kann nur überwunden werden, wenn sich substanzielle Förderungserfolge im unteren Leistungsbereich einstellen. Auch unter dem Gesichtspunkt der sozialen Gerechtigkeit sind hier verstärkte Anstrengungen notwendig.

Konsequenzen
Die Kultusministerkonferenz hat nach den Ergebnissen von PISA 2000 gemeinsame Anstren-gungen zur Verbesserung des deutschen Bildungswesens beschlossen und dafür sieben zentrale Handlungsfelder benannt. Die vorgelegten Ergebnisse des Ländervergleichs von PISA 2003 sind eine Bestätigung des eingeschlagenen Weges der Länder und der Kultusministerkonferenz. Insbesondere die konsequente Umsetzung der sieben Handlungsfelder ist Grundlage für die langfristige Weiterentwicklung des Bildungssystems.

Nur langfristig angelegte und kontinuierlich fortgesetzte Maßnahmen können zu nach-haltigen Verbesserungen führen. Dies gilt insbesondere für:

  • die sog. Risikogruppe (Schülerinnen und Schüler mit geringen Kompetenzen, Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund)

  • die Kopplung von sozialer Herkunft und Schulleistung.

Angesichts der großen Bedeutung einer frühen Förderung sind die eingeleiteten langfristig wirksamen Maßnahmen zur Stärkung des Bildungsauftrags der Kindertagesstätten und zur Verbesserung der sprachlichen Kompetenz insbesondere der Kinder mit Migrationshintergrund bereits im Vorschulalter und im weiteren Verlauf der Schulzeit zu intensivieren. Gleichzeitig müssen die Anstrengungen verstärkt werden, bei ungünstigen Entwicklungen in der Bildungsbiographie gezielte Ausgleichsmaßnahmen einzuleiten. Die vielfältigen Maßnahmen der Länder, auch der Ausbau der Ganztagsangebote mit dem Ziel verbesserter Fördermöglichkeiten, liefern hierzu wichtige Beiträge.

In der Kultusministerkonferenz besteht Einvernehmen darüber, dass die Erkenntnis von PISA 2000 im Hinblick auf die Notwendigkeit eines besseren Umgangs mit der Heterogenität der Schülervoraussetzungen und Schülerleistungen unverändert gilt und die Zielsetzung einer verbesserten individuellen Förderung aller Schülerinnen und Schüler weiter mit Nachdruck verfolgt werden muss. Dies muss sich unter anderem in der Lehreraus- und Lehrerfortbildung zum Beispiel im Hinblick auf eine Verbesserung der Diagnosefähigkeit der Lehrerinnen und Lehrer und einer gezielten Unterstützung der einzelnen Schülerinnen und Schüler niederschlagen.

Mit den bundesweit geltenden Bildungsstandards hat die Kultusministerkonferenz gemeinsame Vergleichsmaßstäbe geschaffen und gleichzeitig die kompetitiven Elemente im Föderalismus gestärkt. Im Interesse einer Verbesserung des Unterrichts als Kern der schulischen Arbeit wird die Kultusministerkonferenz ihre Anstrengungen im Bereich der für alle Länder verbindlichen Bildungsstandards, deren Implementation und regelmäßigen Überprüfung konsequent fortsetzen. Das von allen Ländern getragene Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen an der Humboldt-Universität zu Berlin hat seine Arbeit erfolgreich und mit großer Intensität aufgenommen.

Alle Länder der Bundesrepublik Deutschland werden nach den Anzeichen für eine positive Entwicklung, die dem Vorbericht zu entnehmen sind, gemeinsam darauf hinarbeiten, dass sich dieser Trend fortsetzt.

Die Pressemitteilung des Konsortiums finden Sie hier.

Eine ausführlichere Darstellung der Ergebnisse befindet sich auf der Webseite des IPN.