Kultusminister Konferenz

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Weiterentwicklung des Bologna-Prozesses

Beschluss der 327. Kultusministerkonferenz am 15.10.2009

I.

Mit der Unterzeichnung der Bologna-Erklärung 1999 wurden die verschiedenen, bis dahin parallel laufenden Stränge europäischer Bildungs- und Hochschulpolitik der beteiligten Staaten zusammengefasst und gebündelt. Durch die Einführung eines zweistufigen Systems leicht verständlicher und vergleichbarer Studienabschlüsse (BA/MA), eines Leistungspunktesystems und der Modularisierung sollte die Mobilität von Studierenden, Lehrenden, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gefördert und die europäische Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Qualitätssicherung erhöht werden. Die deutschen Hochschulen haben in den vergangenen Jahren erhebliche Anstrengungen unternommen, um nahezu alle Studiengänge auf die neuen Studienstrukturen umzustellen, die Studiengänge zu modularisieren, das Leistungspunktesystem einzuführen und die Qualität der Lehre zu verbessern.

Neben der Anerkennung erzielter Fortschritte und Erfolge wurde aber auch Kritik gegenüber empfundenen Überregulierungen und einzelnen Schwächen des Bologna-Prozesses laut. Deshalb müssen die Wirkungen analysiert und, wo nötig, Korrekturen vorgenommen werden. Dabei sind mögliche Schwachstellen in der Umsetzung aufzugreifen und zu korrigieren, ohne die erreichten Verbesserungen in der Lehre aufs Spiel zu setzen. Vielmehr müssen die Aufwertung der Lehre und ihre Verbesserung als entscheidendes bisheriges Ergebnis des Bologna-Prozesses stabilisiert und weiterentwickelt werden.

Gegenwärtig werden insbesondere folgende Punkte kritisiert, die teils auf der jüngsten Bologna-Nachfolge-Konferenz in Leuven am 28./29. April 2009 eine prominente Rolle gespielt haben und teils durch Studierende während des „Bildungsstreiks“ im Sommer dieses Jahres vorgetragen wurden:

  • stoffliche Überfrachtung, zu hohe Anwesenheitspflicht und Prüfungsdichte im Gefolge zunehmender Strukturierung und „Verschulung“ des Studiums
  • zu geringe Ausnutzung der Bandbreite der Regelstudienzeiten für Bachelor- und Master-Studiengänge
  • Zugang zum Master-Studium (Leistungsvoraussetzungen, Kapazitäten, „Quotierung“)
  • restriktive Anerkennung von Studien- und Prüfungsleistungen, unzureichende Äquivalenzregelungen in den Studien- und Prüfungsordnungen
  • Verschlechterung der nationalen und internationalen Mobilität
  • Akzeptanz des Bachelors als ersten, berufsqualifizierenden Abschluss
  • aufwändige Akkreditierungsverfahren
  • Studienbeiträge in mehreren Bundesländern

 

Unabhängig davon, ob die öffentlich geäußerten Kritikpunkte in jedem Fall, an jeder Hochschule und in allen Bundesländern zutreffend sind, spiegeln sie doch eine nicht unerhebliche Skepsis in Teilen der akademischen Öffentlichkeit hinsichtlich des Bologna-Prozesses wider.

II.


Die Kultusministerkonferenz hat sich zum Ziel gesetzt, adäquat und schnell auf die vorgebrachten Kritikpunkte zu reagieren und die Weiterentwicklung des Bologna-Prozesses gemeinsam mit den Hochschulen voranzutreiben. Die Kultusministerkonferenz beschließt deshalb folgende Punkte:

  1. Die Länder sehen die strukturierten Studiengänge mit den Abschlüssen Bachelor und Master als einen entscheidenden Schritt zur Flexibilisierung von Studium und Ausbildung und zur Verbesserung der Durchlässigkeit innerhalb des Bildungssystems an. Dabei hat der Bachelor-Abschluss als erster berufsqualifizierender Abschluss eine Schlüsselfunktion. Die Länder würdigen ausdrücklich die bisher geleistete Arbeit der Hochschulen, ihre Studienstrukturen innerhalb der letzten Jahre zum Großteil auf das Bachelor- und Mastersystem umgestellt, die Studieninhalte modularisiert, ihre Curricula entsprechend angepasst sowie die Vorbereitung und Durchführung der Akkreditierungsverfahren erfolgreich absolviert zu haben.
  2. Im Rahmen der „sozialen Dimension“ des Bologna-Prozesses setzen sich die Länder für einen weiteren Ausbau des BAföG ein. Eine Stärkung der Studentenwerke hält die KMK für sinnvoll.
  3. Die Länder fordern die Hochschulen dazu auf, im Rahmen der ländergemeinsamen Strukturvorgaben bei der Einführung neuer Studiengänge die vorhandene Bandbreite von Regelstudienzeiten in Bachelor-Studiengängen (die sechs, sieben oder acht Semester betragen kann) zu nutzen. Die Hochschulen werden gebeten, im Rahmen der Reakkreditierung die Studieninhalte zu überprüfen. Dabei können Grundlagen und Spezialisierungen im Rahmen von Bachelor- und Masterstudiengängen neu austariert werden. Zugleich fordern sie die Hochschulen auf, in ihren Studiengangskonzepten, insbesondere bei konsekutiven Studiengängen, „Mobilitätsfenster“ vorzusehen, die den Studierenden den Wechsel zwischen den Hochschulen in Deutschland und darüber hinaus erleichtern.
  4. Die Länder erwarten vom Akkreditierungsrat und den Akkreditierungsagenturen, dass sie bei der (Re-)Akkreditierung von Studiengängen der Studierbarkeit des Studiums Geltung verschaffen, und zwar im Hinblick auf die Studieninhalte, die Studiendauer und das Verhältnis von Pflicht-, Wahlpflicht- und Wahlveranstaltungen. Auch die Modulgestaltung und Kompetenzorientierung sowie die „Employability“ sind im Zuge anstehender (Re-)Akkreditierungen verstärkt einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Jedes Studienprogramm muss auch daraufhin geprüft werden, ob die den Studierenden zu vermittelnden Kompetenzen sinnvoll definiert sind, der Studiengang für die Studierenden in zeitlicher Hinsicht studierbar ist, der Prüfungsumfang angemessen ist und die Ziele des Studiengangs tatsächlich erreicht werden. Die KMK befürwortet die aktive Einbeziehung der Studierenden in diesen qualitätsorientierten Weiterentwicklungsprozess. Bei der Systemakkreditierung hat die Hochschule nachzuweisen, dass ihre internen Qualitätssicherungsmechanismen geeignet sind, die Studierbarkeit des Studiums zu gewährleisten.
  5. Die Grundsätze Vermittlung von Grundlagenwissen und Methodenkompetenz sowie exemplarische Themen- bzw. Inhaltswahl im Studium müssen auch Maßstab für die gegenseitige Anerkennung von Studien- und Prüfungsleistungen in und zwischen den Hochschulen sein. Bei der Anerkennung von Studien- und Prüfungsleistungen, die sich auf diese Ansprüche gründen, kann es nicht um gleichartige, sondern muss es um gleichwertige Studienergebnisse gehen. Dies ist eine entscheidende Voraussetzung für die  Verbesserung der Mobilität der Studierenden zwischen den Hochschulen entsprechend den Regelungen der Lissabon-Konvention. Das bedeutet, dass die Anerkennung zu erteilen ist, sofern keine wesentlichen Unterschiede bestehen. Hochschulen, Akkreditierungsagenturen, Fachgesellschaften und Fakultätentage werden aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass die gegenseitige Anerkennung von Studien- und Prüfungsleistungen in den jeweiligen Studiengängen von den Hochschulen im gegenseitigen Vertrauen auf Qualitätssicherung und erfolgreiche Akkreditierung gegründet wird, um sie einfacher, verlässlicher, flexibler und schneller zu gestalten. Zudem werden die Hochschulen ermuntert, den Aufbau strukturierter Austauschprogramme mit ausländischen Partnerhochschulen voranzutreiben, um die gegenseitige Anerkennung von Studien- und Prüfungsleistungen zu gewährleisten. Die Wissenschaftsminister der Länder werden diesem Aspekt der Mobilitätssicherung, z. B. in den Zielvereinbarungen mit den Hochschulen, künftig besonderes Augenmerk widmen.
  6. Die Länder wirken ggf. auch im Rahmen ihrer Hochschulgesetzgebung darauf hin, dass nicht ein kleinteiliges Prüfungswesen zu Lasten der Studierenden, aber auch der Lehrenden aufgebaut wird. In diesem Sinne sollten die Hochschulen anstreben, dass Module in der Regel nur mit einer Prüfung abzuschließen sind. Eine individuelle und flexible Studiengestaltung der Studierenden sollte nicht durch eine übermäßige Verknüpfung von Modulen innerhalb von Studiengängen eingeschränkt werden, damit individuelle Freiräume für die Studierende erhalten bleiben bzw. ausgebaut werden. Die Länder erwarten von den Hochschulen eine angemessene systematische Studienberatung.
  7. Für die Akzeptanz des Bachelorabschlusses von Seiten der Studierenden ist es mitentscheidend, welche beruflichen Perspektiven dieser Abschluss eröffnet. Je mehr berufliche Wege den Studierenden bereits mit dem Bachelorabschluss zur Verfügung stehen, desto mehr gewinnen nicht-konsekutive und weiterbildende Masterstudiengänge an Bedeutung. Sie eröffnen die Möglichkeit, sich nach einer ersten Berufseinstiegsphase beruflich erforderliche Spezialisierungen anzueignen und sich weiterzuentwickeln. Die Länder erwarten von den Hochschulen, dass sie verstärkte Anstrengungen für den Ausbau entsprechender Studienangebote unternehmen.
  8. Damit der Bachelorabschluss erfolgreich in eine erste Berufstätigkeit einmünden kann, sind weitere Anstrengungen erforderlich, um noch bestehende Informationsdefizite bei künftigen Arbeitgebern – hier insbesondere kleineren und mittleren Unternehmen (KMU) – weiter abzubauen, um dem Bachelor zu dem Stellenwert zu verhelfen, der ihm im Rahmen der gestuften Studienstruktur zukommen soll. Dazu gehört auch, dass jedem Abschlusszeugnis ein Diploma Supplement beigefügt wird, das Struktur und Inhalte des Studiengangs erläutert. Für die zukünftige Entwicklung des Akademikerarbeitsmarktes ist es unverzichtbar, dass die derzeitige Umstellung der Studiengänge auf Bachelor- und Masterabschlüsse uneingeschränkt von der Wirtschaft mitgetragen wird. Die Länder empfehlen daher den Hochschulen nachdrücklich, Studieninhalte und zu erwerbende Kompetenzen mit möglichen künftigen Arbeitgebern zu diskutieren, ihre Alumni in die Weiterentwicklung der Studiengänge einzubinden und Absolventinnen und Absolventen auch auf die Option der beruflichen Selbstständigkeit vorzubereiten. Die Länder werden Maßnahmen entwickeln, die die Akzeptanz des Bachelorabschlusses steigern können, um den Hochschulabsolventinnen und -absolventen bessere Chancen für ihren Berufsstart zu ermöglichen. Als Beispiel sei hier auf die durch den Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, BDI und BDA ins Leben gerufene Initiative „Bachelor Welcome“ verwiesen.
  9. Die KMK wird die genannten Punkte mit der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) diskutieren.
  10. Die KMK begrüßt, dass sich der Akkreditierungsrat auf seiner 60. Sitzung am 09.12.2009  unter dem Titel „Studierbarkeit und Beschäftigungsbefähigung in der Reakkreditierung sichern“ in einem Expertengespräch der Thematik annehmen wird.
  11. Die KMK wird im Frühjahr 2010 eine Fachtagung initiieren, um eine erste Bestandsaufnahme der eingeleiteten Schritte zu ziehen.