288. Plenarsitzung der Kultusministerkonferenz am 09.Dezember 1999 in Bonn
Am 09. Dezember 1999 fand unter dem Vorsitz von Staatsminister Prof. Dr. Hans Joachim Meyer (Sachsen) die 288.Plenarsitzung der Kultusministerkonferenz in ihrem Sekretariat in Bonn statt.
Im Mittelpunkt der Beratungen standen folgende Themen:
- Neuordnung der Juristenausbildung
- Lehrerbedarf an Berufsschulen
- Auffindung und Rückgabe von Kulturgütern, die im Nationalsozialismus enteignet oder geraubt wurden
- Zukunft der Theater und Orchester.
Die Konferenz wählte auf dieser Plenarsitzung außerdem turnusgemäß den Senator für Bildung und Wissenschaft der Freien Hansestadt Bremen, Willi Lemke, zu ihrem Präsidenten für das Jahr 2000. Weiter wählte die Konferenz Ministerin Dr. Annette Schavan (Baden-Württemberg) zur 1. Vizepräsidentin, Ministerin Prof. Dr. Dagmar Schipanski (Thüringen) zur 2. Vizepräsidentin und Staatsminister Prof. Dr. Hans Joachim Meyer (Sachsen) zum 3. Vizepräsidenten der Kultusministerkonferenz im Jahr 2000. Staatsminister Hans Zehetmair (Bayern) und Staatsminister Prof. Dr. Jürgen Zöllner (Rheinland-Pfalz) gehören dem Präsidium der Kultusministerkonferenz im Jahr 2000 als kooptierte Mitglieder an.
Zum offiziellen Präsidentschaftsantritt in der Kultusministerkonferenz am 17. Januar 2000 in Bonn wird Senator Willi Lemke die Schwerpunkte für seine Präsidentschaft vorstellen; zugleich wird der Präsident des Jahres 1999, Staatsminister Prof. Dr. Hans Joachim Meyer, ein Resümee seiner Amtsperiode ziehen. Beim Jahrespresseabend der Kultusministerkonferenz am 17.Februar 2000 in Berlin besteht die Gelegenheit, die Arbeit der Kultusministerkonferenz im Jahr 1999 im Kontext ihrer neuen Arbeitsvorhaben für 2000/2001 zu diskutieren.
Neuordnung der Juristenausbildung
Die Kultusministerkonferenz hat sich auf ihrer 288.Plenarsitzung am 09.Dezember 1999 grundsätzlich für eine deutliche Verbesserung der Qualität der Juristenausbildung ausgesprochen. Dies kann bei den richtigen Rahmenbedingungen nach Auffassung der Kultusministerkonferenz auch durch die Neuordnung des Studiums in Form einer praxisintegrierten universitären Ausbildung geschehen. Ein entsprechendes Modell ist in einer Arbeitsgruppe der Justizministerkonferenz erarbeitet worden. Die Justizministerkonferenz hat ihm mit Beschluss vom 10.November zugestimmt.
Das Modell der Justizministerkonferenz sieht als Eckwerte ein Grundstudium von vier Semestern mit studienbegleitender Zwischenprüfung, ein anschließendes Vertiefungs- und Wahlfachstudium von vier Semestern, eine integrierte Praxisphase von zwei Semestern und eine Abschlussprüfung für die volljuristischen Berufe mit universitären und staatlichen Prüfungselementen vor.
Weil die Kultusministerkonferenz den Reformbedarf in der Juristenausbildung akzeptiert, hält sie eine Erhöhung der notwendigen Lehrkapazität, die pro Studierendem vorgehalten wird - d.h. eine Anhebung des sog. Curricularnormwertes - für notwendig. Eine solche Anhebung - orientiert an vergleichbaren Studiengängen und zzgl. Praxisausbildung - setzt jedoch einen Ressourcentransfer zugunsten der Wissenschaftsseite voraus, wenn es dadurch nicht zu einer unvertretbaren Absenkung der Studienplatzkapazitäten kommen soll.
Insgesamt kann die Kultusministerkonferenz das Reformvorhaben nur befürworten, wenn es die Wissenschaftsetats nicht zusätzlich belastet. Soweit zusätzliche Ressourcen für die Qualitätsverbesserung der Ausbildung, für die Praxisintegration und zur Erhaltung von Studienplätzen notwendig sind, sollen sie aus Mitteln bestritten werden, die durch den Wegfall des Referendariates frei werden. Es müssen auch Ressourcen für den Ausbau zusätzlicher Ausbildungskapazitäten für Studiengänge mit rechtswissenschaftlichen Anteilen an Universitäten und Fachhochschulen bereit gestellt werden.
Wegen der Bedeutung des Reformvorhabens, seinen organisatorischen und kapazitären Auswirkungen und seiner Finanzierung hält die Kultusministerkonferenz es für notwendig, dass die Ministerpräsidenten sich mit dem Thema befassen. Zunächst soll nun die gemeinsame Arbeitsgruppe von Kultusministerkonferenz und Justizministerkonferenz ein detailliertes Modell ausarbeiten und mit den Finanzministern abstimmen. Das Modell soll den Ministerpräsidenten dann nach abschließenden Beratungen in Kultusministerkonferenz und Justizministerkonferenz vorgelegt werden.
Lehrerbedarf an Berufsschulen
Die Kultusminister der Länder haben sich auf ihrer 288.Plenarsitzung am 09.Dezember 1999 in Bonn mit dem Problem befasst, wie qualifizierter Lehrkräftenachwuchs für die beruflichen Schulen gesichert werden kann.Insbesondere die Tatsache, dass einem steigenden Einstellungsbedarf an Lehrkräften in den kommenden Jahren kein entsprechendes Angebot an Bewerbern und an Studienanfängern gegenübersteht, schafft eine Problemlage, die nach Auffassung der Kultusministerkonferenz ein koordiniertes Handeln der Länder notwendig macht. Der steigende Bedarf resultiert in erster Linie aus einem absehbaren Anstieg der Schülerzahlen bei gleichzeitig hohen altersbedingten Ausscheidensraten der gegenwärtigen Lehrkräfte. Weitere problemverschärfende Faktoren sind der Ausbau der beruflichen Vollzeitschulen in Folge des Mangels an betrieblichen Ausbildungsplätzen sowie die Zunahme an sog. "Splitterberufen" mit erhöhtem spezifischem Lehrerbedarf. Hinzu kommt, dass die Lehrtätigkeit in Bezug auf Einstellungsbedingungen, Arbeitsbedingungen und Besoldung gegenüber den konkurrierenden Beschäftigungsmöglichkeiten in der Wirtschaft von den Absolventen als unattraktiv empfunden wird.Diese Problemlage kann nach Auffassung der Länder in den nächsten Jahren vielerorts eine gravierende Unterversorgung mit Lehrkräften zur Folge haben, wenn nicht kurzfristig gegengesteuert wird.Die Kultusministerkonferenz hat daher beschlossen,
- die Frage der Sicherung des Nachwuchses an Berufsschullehrerinnen und -lehrern als vorrangige Aufgabe in ihr Arbeitsprogramm für das Jahr 2000 aufzunehmen und die bereits laufenden Arbeiten dazu in ihren Ausschüssen zu forcieren,
- sich in ihrer Sitzung im Februar 2000 mit einer Darstellung des absehbaren Einstellungsbedarfes und einem Katalog von Maßnahmen, mit denen der geschilderten Problemlage begegnet werden kann, zu befassen,
- für mittelfristige Maßnahmen, die Probleme der Ausbildung lösen, eine Arbeitsgruppe mit Vertretern aus Schule, Berufsbildung und Hochschule einzurichten.
Auffindung und Rückgabe von Kulturgütern, die im Nationalsozialismus enteignet oder geraubt wurden
Die Kultusministerkonferenz hat auf ihrer 288.Plenarsitzung am 09.Dezember 1999 in Bonn eine gemeinsame politische Grundsatzerklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände "zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes insbesondere aus jüdischem Besitz" für die Länderseite verabschiedet. Ziel der Erklärung ist es, die Bereitschaft zum Ausdruck zu bringen, im Nationalsozialismus enteignete oder geraubte Kulturgüter in öffentlichen Archiven, Museen und Bibliotheken zu suchen und gerechte und faire Lösungen für die Rückgabe oder Entschädigung der früheren Eigentümer bzw. deren Erben zu finden. Die Kultusminister werden für die Umsetzung der Erklärung in den Ländern Sorge tragen.
Die Rückgabe und Wiedergutmachung ist in der Bundesrepublik Deutschland juristisch durch entsprechende Gesetzeswerke, insbesondere das Bundesrückerstattungsgesetz und das Bundesentschädigungsgesetz geregelt. Nach der Wiedervereinigung fanden die einschlägigen Gesetze auch in den neuen Ländern Anwendung. Die jetzt verabschiedete Erklärung hat das Ziel, den politischen Willen zu bekräftigen, in den öffentlichen Einrichtungen aktiv zur Auffindung von Kulturgütern und zur Lösung offener Fragen beizutragen. Die Erklärung steht in Übereinstimmung mit den viel beachteten "Principles with respect to Nazi-confiscated Art", die bei der Washingtoner Konferenz über Holocaust-Vermögen im Dezember 1998 verabschiedet wurden. Der einschlägige Beschluss, den der Stiftungsrat der Stiftung Preußischer Kulturbesitz danach im Sommer 1999 gefasst hat, wird in der Erklärung von Ländern, Bund und kommunalen Spitzenverbänden ausdrücklich begrüßt. Die Erklärung im Wortlaut findet sich im Anhang zu dieser Pressemitteilung.
Zukunft der Theater und Orchester
Die Kultusministerkonferenz hat auf ihrer 288.Plenarsitzung am 09.Dezember 1999 in Bonn ein "Positionspapier zur Zukunft der Theater und Orchester" beschlossen. Sie hebt in ihrem Positionspapier in Übereinstimmung mit dem Deutschen Bühnenverein sechs zentrale Punkte hervor:
1. Für eine erfolgreiche künstlerische und wirtschaftliche Arbeit der Theater ist ein einheitliches Tarifwerk, das alle Mitarbeiter im künstlerischen und nichtkünstlerischen Bereich umfasst, als Voraussetzung für einen effizienteren Einsatz der vorhandenen Arbeitskraft notwendig. Die Kultusministerkonferenz bittet daher die Tarif- und Sozialpartner die erforderlichen Schritte einzuleiten und an einem einheitlichen Tarifwerk mitzuwirken.
2. Bei der Harmonisierung der Tarifregelungen ist es im Bereich der nichtkünstlerischen Mitarbeiter wichtig,
- dass die Vergütung in einem einfachen Schema von maximal vier Vergütungsgruppen gestaffelt ist, das durch konkrete Leistungszulagen zu ergänzen wäre,
- dass Zeitzuschläge - weil für das Theater untypisch - abgeschafft werden,
- dass die Arbeitszeit über das Jahr im Rahmen einzeln angeordneter Überstunden schwanken kann, ohne dass dafür eine Überstundenvergütung gezahlt wird,
- und dass von der gesetzlichen Möglichkeit der Verkürzung der Nachtruhe für die Bühnenarbeiter Gebrauch gemacht wird.
3. Die rechtlich abgesicherte Stärkung der wirtschaftlichen Selbständigkeit und Eigenverantwortung innerhalb eines definierten Finanzrahmens hat sich grundsätzlich für den Theater- und Orchesterbetrieb bewährt.
4. Das Ensembletheater und -orchester hat grundsätzlich seine Überlegenheit gegenüber anderen Betriebsformen nicht nur in künstlerischer, sondern auch in wirtschaftlicher Hinsicht vor dem Hintergrund finanzieller Engpässe unter Beweis gestellt.
5. Die Größe des Ensembles ist in angemessener Relation zu den künstlerischen und kulturpolitischen Aufgaben zu definieren.
6. Lineare Tariferhöhungen müssen bezahlbar sein und haben in der Vergangenheit zu deutlichen Arbeitsplatzverlusten bei Theatern und Orchestern geführt. Gleichwohl darf der auf den Theatern lastende finanzielle Druck nicht zu Lasten des künstlerischen Personals gehen; es sollte daher auch nicht von linearen Tarifsteigerungen ausgenommen sein.