Kultusminister Konferenz

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Beschluss der Kultusministerkonferenz zu den IGLU-Ergebnissen vom 08.04.2003

1. Die heute vorliegenden Ergebnisse der internationalen Grundschul-Leseuntersuchung PIRLS/IGLU und der nationalen Ergänzung IGLU-E können für Deutschland insgesamt als erfreulich bezeichnet werden.

Unter den beteiligten 35 Staaten liegt Deutschland, das mit einer Stichprobe von rd. 10.000 Schülerinnen und Schülern in 246 Schulen mit je 2 Klassen an der Untersuchung teilgenommen hat, im oberen Leistungsdrittel. Lediglich drei Länder schneiden deutlich besser ab (Schweden, Niederlande, England), auch der Abstand zum Spitzenreiter (Schweden) ist im Gegensatz zu PISA bei IGLU wesentlich geringer.

In der Bundesrepublik Deutschland haben sich 12 Länder an einer nationalen Ergänzungsstudie (IGLU-E) für die Bereiche mathematische und naturwissenschaftliche Grundkompetenzen beteiligt. Um einen internationalen Vergleich ausweisen zu können, wurden diese Ergebnisse in die Rangliste der TIMSS-Grundschuluntersuchung von 1995 eingerechnet. Auch für Mathematik und Naturwissenschaften bestätigen sich die guten Ergebnisse der Lesekompetenz im Vergleich zu anderen Staaten.

Die Leistungen deutscher Grundschüler stellen sich in allen drei Leistungsbereichen als relativ homogen dar, d.h. die Leistungsunterschiede zwischen Schülern halten sich in vertretbaren Grenzen. Rund 10 % der Schüler müssen zur sog. Risikogruppe (unter der zweiten von vier Kompetenzstufen) gezählt werden, der Anteil der Spitzenschüler (in der vierten Kompetenzstufe) ist mit ca. 18 % deutlich größer. Zugleich zeigt die Studie, dass der Zusammenhang zwischen der sozialen Herkunft und der Entwicklung des Leseverständnisses der Kinder geringer ist als in der Sekundarstufe I.

Die im Vergleich zu PISA relativ hohe Wertschätzung für das Lesen (auch wenn ein 18 % Anteil von Kindern, die nicht gerne lesen, Anlass für besondere Fördermaßnahmen sein sollte) und verhältnismäßig geringe Leistungsunterschiede zwischen Jungen und Mädchen bestätigen, dass Deutschlands Grundschüler am Ende der Grundschulzeit im internationalen Vergleich gut mithalten können. Hinzu kommt das ermutigende Ergebnis, dass die Lernmotivation der Grundschüler auch unabhängig von den erzielten Lernerfolgen relativ hoch ist.

2. Dieser Bericht liefert aber auch wichtige Hinweise, in welchen Bereichen über eine Verbesserung der Grundschulbildung nachgedacht werden muss. Die guten Ansätze individueller Förderung müssen weiter verstärkt werden, denn bereits in der Grundschule wird deutlich, dass Schülerinnen und Schüler mit einem Migrationshintergrund zu wenig individuelle Förderung erhalten und entsprechende Defizite schon früh entstehen.

Im internationalen Vergleich gibt es in Deutschland in der obersten Leistungsstufe weiteres Entwicklungspotential. Mit der individuellen Förderung schwächerer Schüler werden allerdings gute Ergebnisse erzielt.

In vielen teilnehmenden Staaten werden die Kinder im Vorschulalter stärker als in Deutschland zum Lesen und Schreiben hingeführt. Vorkenntnisse können in der Grundschule offenbar noch besser aufgenommen und weiter entwickelt werden.

Auch im Grundschulbereich gibt es innerhalb Deutschlands regionale und länderbezogene Unterschiede. Genauere Ergebnisse zu den sieben Län-dern , die entsprechende zusätzliche Untersuchungen veranlasst haben, wird ein eigener Länderbericht zum Jahresende erbringen.

3. Die von der KMK als Schlussfolgerung aus den Ergebnissen der PISA-Studie definierten sieben Handlungsfelder, in denen ein deutlicher Reformbedarf besteht, verlieren auch nach Veröffentlichung der IGLU-Studie nichts von ihrer Dringlichkeit. In der Zusammenschau mit den Ergebnissen der IGLU-Studie ergeben sich sowohl neue Gewichtungen als auch zusätzliche Schwerpunkte und auch IGLU bietet uns viele Möglichkeiten, von anderen Staaten zu lernen:

  • IGLU unterstreicht erneut die Notwendigkeit, die Förderbedingungen in unseren Schulen sowohl für Kinder mit Lernschwierigkeiten als auch für besonders begabte Schülerinnen und Schüler zu verbessern, das Leistungsniveau insgesamt anzuheben und für mehr Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit zu sorgen.
  • Maßnahmen zur Verbesserung der Sprachkompetenz im Elementarbereich, zur besseren Verzahnung vorschulischer Einrichtungen mit der Grundschule und zur generellen Verbesserung der Grundschulbildung (Handlungsfelder 1 - 3) behalten ihre zentrale Bedeutung. Die bei PISA aufgedeckten Probleme müssen aber vorrangig in der Sek. I selbst gelöst werden. Die individuelle Förderung muss in der Sek. I ihre Fortsetzung erfahren.
  • Offenbar sind die pädagogischen Konzeptionen an den Grundschulen in einem höheren Maße altersgemäß und geeignet, heterogenen Lerngruppen gerecht zu werden und - damit zusammenhängend - Schülerinnen und Schüler individuell zu fördern als dies in den einzelnen Schularten der Sek. I geschieht. Dies kann mit geeigneteren methodischen Verfahren und didaktischen Ansätzen ebenso zusammenhängen wie mit einer sehr praxisorientierten und intensiven pädagogischen Ausbildung der Lehrerschaft.
  • Eine weitere Verbesserung des Unterrichts ist besonders für die weiterführenden Schulen die zentrale Herausforderung der kommenden Jahre. Hier können die Grundschulen wertvolle Anregungen geben, wie das Ziel, für alle Schüler ein angemessenes Leistungsniveau zu sichern, mit wirksamen Fördermaßnahmen erreicht werden kann.
  • Die Bedeutung einer wirksamen Förderung der Kinder mit Migrationshintergrund wird durch IGLU noch weiter verstärkt; hier sind deutliche Zusammenhänge zwischen Defiziten in der Elementarbildung, in der Grundschulbildung und nachfolgenden Problemen in der Sek. I nachweisbar.
  • Die Professionalität der Lehrertätigkeit, vor allem hinsichtlich diagnostischer und methodischer Kompetenzen muss verbessert werden, verbunden mit entsprechenden Veränderungen in der Lehrplan- und Unterrichtsgestaltung. Die umfangreichen pädagogischen Reformen in den Grundschulen mit der Zielsetzung, einen schülerorientierten Unterricht zu gestalten, der die Selbsttätigkeit und das Selbstvertrauen der Kinder sowie das Lernen in fächerübergreifenden Zusammenhängen stärkt, müssen fortgesetzt werden und auch in der Sek. I ihren Niederschlag finden.
  • Die Übergänge von der Grundschule auf die Sek. I müssen so gestaltet werden, dass sich die soziale Herkunft nicht nachteilig auf den Bildungsweg von Schülern auswirkt. Die Durchlässigkeit des Schulsystems nach oben muss weiter erhöht und die Beratung der Eltern verstärkt werden.
  • Die Zusammenarbeit zwischen Schule und Eltern muss insgesamt verbessert werden, denn es ist zu vermuten, dass die Unterstützung des Elternhauses bei Grundschulkindern in besonderer Weise zum Lernerfolg beiträgt.
  • Die Sicherung der Qualität von Unterricht und Schule durch verbindliche Bildungsstandards rückt einmal mehr in den Mittelpunkt des Handlungsbedarfs. Auswirkungen auf die Lehrplangestaltung, die Unterrichtsinhalte und die Methoden sind zu erwarten.
  • Schweden, die Niederlande und England als besonders erfolgreiche Länder haben bereits in den 80er Jahren begonnen, klare Bildungsstandards zu definieren und zu überprüfen. Die KMK wird spätestens 2004 entsprechende Bildungsstandards auch für die Grundschule vorweisen können, deren Einhaltung in den Ländern bzw. länderübergreifend durch Vergleichsarbeiten überprüft werden soll.

Die Zusammenfassung der Ergebnisse der Studie finden Sie hier.