Kultusministerkonferenz fasst Beschluss zu vertiefendem PISA-Bericht
Die Kultusministerkonferenz hat am 06.März 2003 in Berlin eingehend über den vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung vorgelegten vertiefenden PISA-Bericht beraten und folgenden Beschluss gefasst:
1. Der differenzierte Blick auf die PISA 2000-Ergebnisse vertieft die Erkenntnisse, die aus der internationalen wie der nationalen PISA-Untersuchung gewonnen wurden. Insgesamt finden dabei die sieben Handlungsfelder ihre Bestätigung, die die Kultusministerkonferenz im Dezember 2001 nach der Veröffentlichung von PISA 2000 definiert hatte:
- Maßnahmen zur Verbesserung der Sprachkompetenz bereits im vorschulischen Bereich
- Maßnahmen zur besseren Verzahnung von vorschulischem Bereich und Grundschule mit dem Ziel einer frühzeitigen Einschulung
- Maßnahmen zur Verbesserung der Grundschulbildung und durchgängige Verbesserung der Lesekompetenz und des grundlegenden Verständnisses mathematischer und naturwissenschaftlicher Zusammenhänge
- Maßnahmen zur wirksamen Förderung bildungsbenachteiligter Kinder, insbesondere auch der Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund
- Maßnahmen zur konsequenten Weiterentwicklung und Sicherung der Qualität von Unterricht und Schule auf der Grundlage von verbindlichen Standards sowie eine ergebnisorientierte Evaluation
- Maßnahmen zur Verbesserung der Professionalität der Lehrertätigkeit, insbesondere im Hinblick auf diagnostische und methodische Kompetenz als Bestandteil systematischer Schulentwicklung
- Maßnahmen zum Ausbau von schulischen und außerschulischen Ganztagsangeboten mit dem Ziel erweiterter Bildungs- und Fördermöglichkeiten, insbesondere für Schülerinnen und Schüler mit Bildungsdefiziten und besonderen Begabungen.
2. Neu ins Blickfeld gerückt sind durch die vorgelegte Studie auf breiterer empirischer Basis die sozialen Lernziele. Erziehung und Bildung bedürfen der besonderen Aufmerksamkeit der Schulen und Bildungsbehörden. Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz hat konsequenterweise das Thema „Erziehung als Auftrag von Elternhaus und Schule“ zum Schwerpunkt ihrer Präsidentschaft erklärt. Die Kultusministerkonferenz wird deshalb den Erwerb sozialer Kompetenzen unter verschiedenen Aspekten in einer eigenen Arbeitsgruppe erörtern sowie weiterführende Untersuchungen in Auftrag geben.
3. Noch schärfer als bisher wurden die Probleme von Schülern mit Migrationshintergrund herausgearbeitet. Die Kultusministerkonferenz hat die in den Ländern bereits vielfältig eingeleiteten diesbezüglichen Maßnahmen im Sinne von best practice dokumentiert und sieht sowohl im Elementarbereich wie in der Sprachförderung der Kinder mit Migrationshintergrund einen Schwerpunkt ihrer Arbeit. Dem offenkundig schwierigen Umgang mit Heterogenität in der Schule muss durch verstärkte individuelle Förderung Rechnung getragen werden.
4. Die Bedeutung der Arbeit an einheitlichen bundesweiten Bildungsstandards, die vordringlich der Qualitätssicherung dient, wird zusätzlich untermauert durch die nicht überraschenden Untersuchungsergebnisse zur Notenbildung. Erste Vereinbarungen zu den Standards wird die Kultusministerkonferenz noch in diesem Jahr vorstellen können, die Umsetzung wird sich unmittelbar schrittweise anschließen.
Die Einführung von Bildungsstandards wird nur greifen, wenn eine Weiterentwicklung der Lehrerbildung ebenso wie eine Intensivierung der Fort- und Weiterbildung damit einhergehen.
Begleitend wird die Kultusministerkonferenz zum Jahresende einen Bildungsbericht für Deutschland vorlegen, der die vorhandenen Ergebnisse dokumentiert und zukünftige Entwicklungen aufzeigen soll.
5. Im Zusammenhang mit der Untersuchung von Leistung und Noten wird erneut die Frage der Durchlässigkeit des Schulsystems gestellt. Die Kultusministerkonferenz sieht die Notwendigkeit, die verschiedenen Lösungswege hierzu zu intensivieren. Dies hat im allgemeinen wie im beruflichen Bildungssystem zu erfolgen.
Anlage
Die Kultusministerkonferenz übermittelt als Anlage eine Kurzversion zu „PISA 2000 – Ein differenzierter Blick auf die Länder der Bundesrepublik Deutschland“:
06.März 2003
Deutsches PISA-Konsortium (PISA 2000)
Der Kultusministerkonferenz ist vom Deutschen PISA-Konsortium der dritte Band der PISA-Berichterstattung übergeben worden:
PISA 2000 – Ein differenzierter Blick auf die Länder der Bundesrepublik Deutschland.
Der Bericht soll drei Funktionen erfüllen. Er untermauert bereits publizierte Befunde und antwortet auf Fragen, die in der Zwischenzeit aufgeworfen wurden. Er differenziert Ergebnisse im Hinblick auf einzelne Länder oder Ländergruppen und Teilpopulationen. Er legt schließlich Rechenschaft über Untersuchungsbereiche und Fragestellungen ab, die bislang nicht oder nur am Rande behandelt wurden. Der Band dokumentiert noch einmal die Breite der Themen, die PISA behandelt, und den erreichten Zugewinn an Systemtransparenz. Im Folgenden sollen zentrale Ergebnisse des Bandes zusammengefasst werden, die besondere Bedeutung für das Zusammenwirken der Länder im Kulturföderalismus haben. Insgesamt geben die Befunde eine differenzierte Beschreibung von Strukturproblemen, die alle Länder in ähnlicher Weise betreffen. Sie zeigen aber auch, dass die Leitentscheidungen der Kultusministerkonferenz zur Qualitätsentwicklung und Standardsicherung strategische Antworten auf diese Problemlagen darstellen.
Steigende Nachfrage nach qualifizierter Bildung ist in allen Ländern der Bundesrepublik Deutschland ein kennzeichnendes Merkmal der vergangenen Jahrzehnte. Gemessen an dem Entwicklungsstand anderer Industrienationen, ist nicht davon auszugehen, dass der Prozess der Bildungsexpansion in Deutschland bereits abgeschlossen ist. Die Länder der Bundesrepublik haben auf diese Entwicklung in verschiedener Weise reagiert. Sie weisen inzwischen deutlich unterschiedliche Schulstrukturen und erhebliche Unterschiede in der schulformspe-zi-fischen Bildungs-beteiligung auf. Das Spektrum reicht von der Zwei- bis zur Fünfgliedrigkeit. Die traditionelle Dreigliedrigkeit (Hauptschule, Realschule, Gymnasium) findet sich nur noch in wenigen Ländern. Daneben gibt es Länder, die neben dem Gymnasium lediglich eine ”Schule mit mehreren Bildungsgängen” kennen (Zweigliedrigkeit), aber auch solche, die Hauptschule, Realschule, Gymnasium und Integrierte Gesamtschulen (Viergliedrigkeit) und in einigen Fällen zusätzlich noch ”Schulen mit mehreren Bildungsgängen” (Fünfgliedrigkeit) nebeneinander führen. Ähnlich uneinheitlich ist das Bild, wenn man die relative Verteilung der Schulabschlüsse in den Ländern betrachtet. Die allgemeine Hochschulreife (ohne Fachhochschulreife) erreichen zwischen 20 und 31 %, einen mittleren Abschluss zwischen 39 und 60 % und einen Hauptschulabschluss zwischen 16 und 44 % der Schülerinnen und Schülern des jeweils entsprechenden Altersjahrgangs. Zugleich sind Schulform und Schulabschluss inzwischen weitgehend entkoppelt. Man kann den gleichen Schulabschluss an unterschiedlichen Schulformen erreichen. Eine wichtige Rolle spielt auch die Möglichkeit, allgemein bildende Abschlüsse an beruflichen Schulen zu erwerben. Sie wird jedoch in den einzelnen Ländern unterschiedlich genutzt.
Die strukturellen Entwicklungen sind in allen Ländern mit spezifischen Nebenwirkungen verbunden. Diese beziehen sich insbesondere auf Aspekte der sozialen Segregation, der Bildungsgerechtigkeit und der Standardsicherung.
In allen Ländern entfällt ein erheblicher Anteil der Varianz sowohl der Fachleistungen als auch der sozialen Zusammensetzung der Schülerschaft auf Unterschiede zwischen Schulen unterschiedlicher Schulform sowie – in geringerem Maße – Schulen gleicher Schulform. Leistungsunterschiede und soziale Segregation kovariieren. Innerhalb der Schulformen bilden sich Lernumwelten, die aufgrund unterschiedlicher Ausprägungen soziodemo-graphischer Merkmale (sozioökonomischer Status und Bildungsniveau der Eltern, Anteil von Familien mit Mi-grationshintergrund, Verkehrssprache in den Familien) zum Teil gravierend voneinander abweichen und die mit unterschiedlich hoher Schulzufriedenheit und unterschiedlichen Leistungsniveaus einhergehen. Schulen der nominell gleichen Schulform unterscheiden sich hinsichtlich dieser Strukturmerkmale von Land zu Land wie innerhalb ein und desselben Landes. Hiervon ist kein Land ausgenommen. Im Zusammenspiel von regional unterschiedlicher Bildungsbeteiligung, schulstrukturellem Angebot und lokalem Einzugsgebiet entstehen selektionsbedingte Schulmilieus, die sich als differenzielle Entwicklungsumwelten beschreiben lassen und die unterschiedliche Fördereffekte für Schülerinnen und Schüler haben. In allen Ländern tragen diese institutionellen Differenzierungsprozesse – wenngleich in unterschiedlich starkem Maße – zur Öffnung der Leistungsschere in der Sekundarstufe bei. Die im internationalen Vergleich nachgewiesene, ungewöhnlich große Leistungsstreuung am Ende der Vollzeitschulpflicht in Deutschland wird zu einem nicht unerheblichen Teil in der Sekundarstufe I institutionell erzeugt oder zumindest verstärkt.
In allen Ländern zeigt sich eine erhebliche Überlappung in den Leistungen von Schülerinnen und Schülern unterschiedlicher Schulformen. Ein nicht geringer Teil der Schülerinnen und Schüler könnte dem Leistungsniveau nach in einen Bildungsgang mit höherem Abschluss wechseln. Der Anteil potenzieller Bildungsgangwechsler ist in denjenigen Ländern am größten, die am eindeutigsten an der traditionellen Dreigliedrigkeit des Schulwesens festhalten. Es zeigt sich aber auch, dass eine große Überlappung in den Leistungen positive Effekte hinsichtlich des durchschnittlichen Leistungs-niveaus und der Verminderung des Anteils potenzieller Risikoschüler am unteren Rand der Leistungsverteilung in einem Lande hat, da die Leistungsentwicklung in den unterschiedlichen Schulformen weniger stark auseinander strebt. Die Sicherung des Leistungsniveaus geht also mit unzureichend gelösten Problemen der Verteilungsgerechtigkeit einher. Zugespitzt ließe sich formulieren, dass das Bemühen um eine leistungsorientierte Homogenisierung von Schulen um so bessere Fördereffekte hat, je weniger sie gelingt.
Es gibt erhebliche Leistungsunterschiede zwischen Schulen derselben Schulform. In jeder Schulform finden sich Schulen, die sich in ihrem mittleren Leistungsniveau nicht von Schulen ”benachbarter Bildungsgänge” unterscheiden. Diese Unterschiede sind sowohl Ergebnis einer differenziellen Eingangsselektivität im Zusammenhang mit dem jeweiligen Schulumfeld als auch Resultat unterschiedlich erfolgreicher pädagogischer Arbeit der jeweiligen Einzelschule. Auch unter schwierigen sozialen und leistungsmäßigen Rahmenbedingungen können Schulen pädagogisch erfolgreich sein, wie es umgekehrt ebenfalls Schulen gibt, deren Leistungsniveau nicht die nach ihren Umfeldbedingungen zu erwartenden Werte erreicht. Dieses Phänomen ist – wenngleich in unterschiedlichem Ausmaß und auf unterschiedlichem Niveau – in allen Ländern festzustellen.
Die Länder sind unterschiedlich erfolgreich in der Förderung von Jugendlichen mit Migrationsgeschichte, wobei die Integration dieser Schülerinnen und Schüler in Deutschland weniger gut gelingt als in anderen Staaten. Die Differenzen bleiben auch dann noch bedeutsam, wenn man die ethnische Zusammen-setzung dieser Schülergruppen sowie die sozioökonomische Stellung der Familien, die Verweildauer der Jugendlichen in Deutschland und die Umgangssprache in der Familie statistisch kontrolliert.
Die Analysen haben gezeigt, dass zwischen dem Anteil von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund in Schulen und dem im Durchschnitt erreichten Leistungsniveau ein Zusammenhang besteht. In Schulen mit höherem Anteil von Jugendlichen, die in der Familie nicht Deutsch sprechen, werden bei vergleichbarer Zusammensetzung der Schülerschaft im Hinblick auf Merkmale familiärer Herkunft und kognitive Grundfähigkeiten geringere Leistungen erzielt. Dieser Zusammenhang ist allerdings nicht linear. Vielmehr sind ab einem etwa 20-prozentigen Anteil von Migranten, in deren Familie Deutsch nicht Umgangssprache ist, deutlich niedrigere mittlere Leistungen auf Schulebene zu beobachten. In der Regel beträgt bei diesem Wert der Anteil von Jugendlichen mit Migrationsgeschichte (mindestens ein Elternteil im Ausland geboren) in diesen Schulen insgesamt etwa ein Drittel. Der Umgang mit Heterogenität scheint Lehrkräften also bereits bei einer quantitativ noch moderaten mehrsprachigen Zusammensetzung der Schülerschaft Schwierigkeiten zu bereiten.
Auf Länderebene ist dagegen kein eindeutiger Zusammenhang zwischen dem Anteil von Jugendlichen aus Zuwandererfamilien und dem Ausmaß der Konzentration von Jugendlichen mit Migrationshintergrund innerhalb von Schulen und ihrem im Durchschnitt erreichten Leistungsniveau nachzuweisen. Ein geringer Anteil von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund in Schulen geht nicht zwangsläufig mit einem hohen Leistungsniveau einher. Dies deutet auf die Notwendigkeit einer systematischen Evaluation unterschiedlicher Förderkonzepte und einer entsprechenden Qualifizierung der Fördermaßnahmen hin.
Die Leistungsunterschiede zwischen den Ländern lassen sich nicht aus unterschiedlichen Mustern der Bildungsbeteiligung erklären. Wachsende Bildungsbeteiligung sichert nicht automatisch ein insgesamt höheres Leistungsniveau, sie führt aber auch nicht zwangsläufig zu sinkenden Leistungen in Bildungsgängen, die zu herausgehobenen Bildungsabschlüssen führen. Lesekompetenz und mathe-ma-tische Kompetenz der Schülerschaft der 9. Jahrgangsstufe insgesamt variieren weitgehend unabhängig davon, welcher Anteil davon das Gymnasium besucht. Ebenso ist der Zusammenhang zwischen dem relativen Anteil von Hauptschülerinnen und Hauptschülern und der Größe der Gruppe potenzieller Risikoschüler, die im Lesen die Kompetenzstufe I nicht überschreiten, nur schwach ausgeprägt. Ein statistischer Zusammenhang zeigt sich zwischen den länderspezifischen Expansionsraten des Gymnasiums und dem jeweiligen durchschnittlichen gymnasialen Leistungsniveau. Dieser Befund hat seine wesentliche Ursache in der unzureichenden Sicherung des Einhaltens von Standards im unteren Leistungssegment, die nur in wenigen Ländern ausreichend gelingt. Angesichts der Tatsache, dass vorakademische Bildungsgänge in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern immer noch eher schwach ausgebaut sind, ist davon auszugehen, dass dies nicht auf die Öffnung der Gymnasien, sondern auf Mängel in der Förderung und im professionellen Umgang mit Leistungsheterogenität zurückzuführen ist.
Die aus der Befragung der Schülerinnen und Schüler gewonnenen Erkenntnisse deuten nicht auf länderspezifische Unterschiede in der Unterrichtskultur, sondern auf eine recht hohe Uniformität der Unterrichtsstile in Deutschland hin. Unterschiede, die sich im Vergleich der Schüleraussagen in anderen OECD-Länder zeigen, gelten für alle Länder innerhalb der Bundesrepublik in ähnlicher Weise. Durchweg empfinden Schülerinnen und Schüler den Leistungsdruck als relativ stark, die Unterstützung durch Lehrkräfte als relativ schwach. Unterschiede hinsichtlich der erhobenen Dimensionen zeigen sich zwischen den Schulformen.
Die Analyse des Zusammenhangs zwischen den im letzten Halbjahr vor der PISA-Untersuchung erreichten Schulnoten und den in den Leistungstests gezeigten Ergebnissen bestätigt den aus entsprechenden Untersuchungen bereits seit langem bekannten Befund, dass sich die Schulen in der Notenvergabe auf einen Referenzrahmen beziehen, der sich in erster Linie an dem spezifischen Leistungsniveau der einzelnen Schule bzw. Lerngruppe und nicht an schulübergreifenden Kriterien orientiert. Für gleiche Leistungen werden danach in unterschiedlichen Schulen unterschiedliche Noten vergeben. Eine Rolle spielt hierbei auch die Einbettung der Bildungsgänge in unterschiedliche schulstrukturelle Kontexte. Dieser in allen Ländern festzustellende Effekt wird in seinen Auswirkungen durch die Leistungsunterschiede zwischen den Ländern in zum Teil erheblicher Weise verstärkt. Diese Praxis der Notenvergabe erfüllt die pädagogisch wichtige Funktion einer Leistungsrückmeldung, die sich notwendigerweise auch an der für Schülerinnen und Schüler nachvollziehbaren Situation ihrer Schule orientieren muss. Sie federt die Auswirkungen unterschiedlicher lernförderlicher Milieus auf einzelschulischer Ebene in sozial gebotener Weise ab. Zugleich bestätigt dieser Befund aber auch die Dringlichkeit einer wirksamen Standardsicherung. In einem Schulsystem, das mit den vergebenen Abschlüssen Berechtigungen verbindet, müssen Transparenz und Vergleichbarkeit der vergebenen Bewertungen gesichert sein, soweit dies im Rahmen der gegebenen Strukturbedingungen möglich ist und die pädagogische Arbeit selbst nicht beschädigt.
Die Analysen zeigen, dass Voraussetzungen und Folgen der vermutlich noch nicht abgeschlossenen Bildungsexpansion in Deutschland im Spannungsfeld von Verteilungsgerechtigkeit, Standardsicherung und Modernisierung des Bildungswesens im Hinblick auf zunehmende Qualifikationsbedürfnisse in einer durch wachsendes Wissen und globale Kommunikation geprägten Welt erst zum Teil bewältigt sind. Die Länder haben, auch angesichts unterschiedlicher Gegebenheiten (Besiedelungsdichte, Urbanisierungsgrad, ökonomische Leistungs-fähigkeit etc.), unterschiedliche Entscheidungen hinsichtlich der Schul-strukturen und der damit verbundenen Konsequenzen für die Bildungswege junger Menschen getroffen, die vor dem Hintergrund der zunehmenden Entkoppelung von Schulform und Abschluss eine in ihren Auswirkungen nur noch schwer zu überschauende Vielfalt von Situationen geschaffen haben. Damit stellt sich erneut die Frage, wie Leistungsfähigkeit, Transparenz und Vergleichbarkeit von Schulen und Schulsystemen in den Ländern gesichert werden können.
Denkbare politische Optionen
Es spricht vieles dafür, institutionelle Differenzierungen im Interesse besserer Förderbedingungen für Kinder und Jugendliche und einer Verringerung sozialer Segregation eher zurückzunehmen und sie nicht weiter voranzutreiben. Indessen erscheint es schwer vorstellbar, die Lösung dieser Probleme durch den Versuch einer Annäherung der Schulstrukturen oder eine spezifische Konditionierung struktureller Entscheidungen über Ländergrenzen hinweg zu suchen. Die Entscheidung hierüber kann politisch nur innerhalb der einzelnen Länder getroffen werden. In diesem Rahmen ist das inhaltliche Bemühen um Standardsicherung durch die klare Bestimmung von Anforderungsniveaus (Mindeststandards) vornehmlich für die basalen Sprach- und Selbst-regulationskompetenzen (insbesondere Deutsch, Fremdsprache, Mathematisierungskompetenz), die Voraussetzung erfolgreichen Lernens in allen Fächern sind, von zentraler Bedeutung. Zugleich sind geeignete Verfahren der regelmäßigen Überprüfung ihrer Einhaltung zu entwickeln. Hier weisen die von den Ländern getroffenen Entscheidungen zu Bildungsstandards in die richtige Richtung.
Die Vergleichbarkeit des Niveaus von Bildungsabschlüssen ist unabhängig von ihrem jeweiligen institutionellen Kontext zu sichern. Die Lösung dieses Problems ist nicht in einer Verschärfung der Bewertungspraxis bei im übrigen unveränderten Rahmenbedingungen, sondern in einer Anhebung des Leistungsniveaus der einzelnen Schulen als solcher zu suchen. Gelingt es, die Einhaltung von Mindeststandards an einer Schule zu sichern und daran die Leistungsbewertung zu orientieren, wird sich auch die Bewertungsproblematik insgesamt entschärfen. Dazu bedarf es geeigneter Unterstützungssysteme, um die Schulen im professionellen Umgang mit sozialer und leistungsmäßiger Heterogenität zu qualifizieren. Der Blick ist insbesondere auf schwache Schulen zu richten. Dies können insbesondere Schulen sein, die in einem besonders schwierigen Umfeld arbeiten oder die schlechtere Ergebnisse erreichen, als nach den Bedingungen ihres Umfelds zu erwarten wäre.